Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
Besondere in dir trägst.«
»Da spricht wieder der Priester«, entgegnete Zejabel. »Oder der Schmeichler.« Nolans Herz begann auf einmal schneller zu schlagen: Einen winzigen Augenblick lang hatte sie gelächelt! Er wollte sich seine Freude nicht anmerken lassen, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, aber es war das Schönste, was er seit Sonnenaufgang gesehen hatte. »Betrachte es als Rat eines Freundes«, sagte er. »Du hilfst uns viel mehr, wenn du nicht auf Züias Insel zurückkehrst. Du kannst kämpfen und bist eine hervorragende Schützin … Und demnächst wirst du Eryne beibringen, ihre Kräfte zu kontrollieren.« Zejabel wirkte unschlüssig.
Ist sie nicht viel zu jung, um Entscheidungen von solcher Tragweite treffen zu müssen!,
dachte Nolan plötzlich. Dann besann er sich darauf, dass mit Ausnahme von Bowbaq niemand älter war als dreiundzwanzig und jeder von ihnen eine schwere Bürde trug. »Deine Schwester will der Wahrheit nicht ins Auge sehen«, sagte Zejabel. »Sobald irgendjemand davon anfängt, wird sie wütend oder zieht sich zurück.«
»Sie wird sich bald beruhigen«, beteuerte Nolan. »Eryne ist einer der großherzigsten Menschen, die ich kenne, auch wenn sie das gern überspielt. Wenn es darauf ankäme, würde sie für uns alle ihr Leben geben, glaub mir. Wir müssen ihr Zeit lassen.« Zejabel sah ihn einen Moment lang an, dann stand sie auf und berührte sacht seine Hand. Es war nur eine flüchtige Bewegung, aber Nolan kam die Geste unendlich zärtlich vor.
»Danke«, sagte sie.
Nolan lächelte ihr zu, und die Zü verschwand in ihrer Kajüte. Als sie noch in Zui'as Dienst stand, hatte sie dieses Wort sicher nicht allzu oft gebraucht. Das war schon die zweite Veränderung, die er innerhalb kurzer Zeit an ihr beobachtete. Wie schon in der Nacht zuvor blieb Nolan lange am Tisch sitzen und starrte unverwandt Zejabels Tür an. Sie hatte ihn nicht gebeten, zu ihr zu kommen, und er hatte sie nicht danach gefragt. Jene Nacht, in der sie aneinandergeschmiegt in ihrem Bett geschlafen hatten, war eine Ausnahme gewesen, das wussten sie beide. Nur die Zukunft würde zeigen, wie es zwischen ihnen weiterging …
Trotzdem war Nolan so aufgewühlt wie seit Monden nicht mehr. Er saß da, betete für die Erben und ihre Eltern und dankte der Göttin für das Glück, das ihm selbst in diesen dunklen Zeiten so unverhofft begegnete.
In dieser Nacht waren es nicht ihre Ängste, die Eryne unruhig schlafen ließen. Sie hatte in letzter Zeit so oft wach gelegen, dass sie völlig übermüdet zu Bett gegangen war und die Augen erst wieder aufschlug, als die Morgensonne durch das Bullauge in die Kajüte schien. Trotzdem fühlte sie sich wie gerädert, denn sie hatte die ganze Nacht hindurch wirr geträumt.
Sie blieb noch eine ganze Weile in ihrer Koje liegen und dachte über die seltsamen Traumbilder nach: eine unzusammenhängende, willkürlich wirkende Abfolge von Orten, Szenen und Gesichtern, die sie nicht kannte – und doch hatte sie das Gefühl, dass sie alle tatsächlich existierten. Noch schlimmer war, dass diese Träume nicht ihrem eigenen Geist, sondern den Gedanken anderer zu entspringen schienen. Natürlich dachte sie unwillkürlich an das, was Zejabel behauptet hatte, schob die Vorstellung aber sofort empört beiseite. Dieses unsinnige Gerede musste sie unterschwellig beeinflusst haben, das war alles. Sie hatte einfach nur besonders lebhaft geträumt. Doch während sie neben der schlafenden Niss lag und zur Holzmaserung der Decke hochstarrte, fiel ihr wieder ein, dass sie schon als Kind etwas Ähnliches erlebt hatte.
Damals war es sogar vorgekommen, dass sie zu Ende erzählen konnte, was ihre Eltern oder Nolan geträumt hatten, ohne dass sie hätte erklären können, woher sie das alles wusste. Ihre Familie hatte damals großen Spaß an der Sache gehabt – bis das Ganze von einem Tag auf den anderen aufgehört hatte, vor nun schon zehn Jahren, als Eryne vom Mädchen zur Frau geworden war.
Warum hatte sie diese Erlebnisse jetzt wieder? Was hatte die erneute Veränderung bewirkt? So sehr sie sich auch dagegen sträubte, sie konnte nicht leugnen, dass die Träume der vergangenen Nacht sie stark an die unerklärlichen Visionen ihrer Kindheit erinnerten – und seit dem Vorfall auf dem Platz der Büßer wurde es von Tag zu Tag schlimmer. Bowbaq war überzeugt, dass Caels Vater ihnen mithilfe magischer Kräfte eine Botschaft hatte zukommen lassen. War dieser Yan dafür verantwortlich, dass sie
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