Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
wieder hinter einem Regenschleier verschwanden. Im Grunde fand sie es ganz schön, das Deck für sich allein zu haben, oder zumindest fast. Ihr Großvater und Amanon wechselten sich an der Pinne ab, und auch diese traute Zweisamkeit gefiel ihr. Als Cael irgendwann die Rolle des Steuermanns übernahm, freute sie sich umso mehr. Endlich würden sie sich einmal ernsthaft unterhalten können.
Auf diese Gelegenheit wartete Niss schon lange, eigentlich seit dem Tag ihrer Heilung, aber der Junge schaffte es immer, einem Gespräch unter vier Augen aus dem Weg zu gehen. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass sie nun zu ihm kam, denn diesmal konnte er sich unmöglich aus dem Staub machen. Schließlich durfte er die Gabiere nicht steuerlos über den Fluss treiben lassen, wo sie jederzeit auf eine Sandbank aufzulaufen oder ein kleines Floß zu rammen drohte. Als sich Niss in ihrem durchnässten Mantel auf die kleine Bank neben ihm setzte, wurde ihr bewusst, dass sie selbst auch nervös war. Sie zerbrach sich den Kopf, wie sie das Gespräch am besten eröffnen sollte. Da kam ihr die zündende Idee.
»Großvater hat mir erzählt, dass dein Vater auch Erjak ist«, sagte sie geradeheraus. Cael wandte sich zu ihr um und sah sie mit großen Augen an. Hoffentlich hatte sie nichts Falsches gesagt! Aber er schien einfach nur erstaunt zu sein.
»Das wusste ich nicht«, gestand er. »Mir war ja auch neu, dass er ein Magier ist, und ein guter noch dazu. Jeden Tag erfahre ich mehr darüber. Selbst Tante Corenn hat offenbar verborgene Fähigkeiten.«
»Und du?«, fragte Niss sofort.
Der Junge zögerte, bevor er antwortete. »Im Rechnen bin ich ganz gut«, scherzte er mit einem traurigen Lächeln. »Aber das wird uns gegen Sombre wohl kaum helfen.«
»Bist du sicher, dass du kein Erjak bist?«, hakte Niss nach. »Mit Magie kenne ich mich nicht aus, aber die Fähigkeit, mit Tieren zu sprechen, scheint erblich zu sein. Bowbaqs Urgroßvater war zum Beispiel auch Erjak. Hast du es nie ausprobiert?«
»Ich wüsste gar nicht, wie ich so etwas angehen sollte!«, sagte Cael erstaunt. »Ich kann es dir erklären, wenn du willst. Du versuchst es ein paarmal, und wenn es dann nicht klappt, steht eindeutig fest, dass du die Gabe nicht hast.« Cael erwiderte ihren Blick stumm. Sie konnte nur erahnen, was in ihm vorging. Als Bowbaq ihr angeboten hatte, sie in die Geheimlehre der arkischen Klans einzuweihen, war sie noch ein ganz kleines Mädchen gewesen und hatte vor Freude Luftsprünge gemacht.
»Das ist vielleicht keine so gute Idee«, sagte er schließlich. »Ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht. Du weißt, dass ich … so eine Art Stimme höre, die mich ganz durcheinanderbringt. Ich glaube, dass mir mein Vater und meine Großtante deswegen nichts von ihren Fähigkeiten erzählt haben. Es könnte zu gefährlich sein.«
Niss nickte widerstrebend. Sie sah das anders: Je eher Cael seine möglichen Talente anzuwenden lernte, desto schneller würde er sein Gleichgewicht wiederfinden. Natürlich war er der Einzige, der wirklich wusste, was die Stimme mit ihm anstellte. Es sei denn …
»Ich erinnere mich an etwas, das vor meiner Heilung liegt«, sagte sie nach einer Weile. Der Junge verkrampfte sich, wie sie erwartet hatte. Vielleicht waren irgendwo in seinem Gedächtnis die gleichen Bilder vergraben? Aber diesmal wirkte er geradezu verängstigt, als fürchtete er sich vor dem, was sie wusste.
»Ich habe dich gesehen«, fuhr sie fort. »Oder besser, ich habe euch gesehen. Du warst da, aber … gleich zweifach. Wie Zwillinge.«
»Was redest du da?«, rief Cael erschrocken. »Du hast geträumt, mehr nicht.«
»Nein«, widersprach Niss behutsam. »An den Tiefen Traum habe ich keine Erinnerungen. Das war echt.«
»Das ist doch absurd! Wie kann es echt gewesen sein? Wo ist das passiert? Und wer war dieses andere Ich?«
Er brach unvermittelt ab. Sein Gesicht war in einer Grimasse der Angst erstarrt. Niss wagte es nicht, die Vermutung auszusprechen, dass der andere Cael die fremde Stimme war. Er musste seine eigenen Schlüsse ziehen.
»Ihr wart in der Kombüse«, führ sie fort. »Hier auf diesem Schiff. Und ihr habt gekämpft.«
»Gegen die K'lurier«, ergänzte er. »Das haben mir die anderen erzählt.«
»Nein. Ich weiß, dass die Mörder im Raum waren, aber die habe ich nicht gesehen. Da warst nur du und … das andere Du. Und ihr habt gegeneinander gekämpft.«
Cael schüttelte aufgebracht den Kopf, aber sein Gesicht war bleich wie der
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