Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
Einer von euch wird die anderen verraten.‹
Cael brüllte vor Zorn auf. Die Worte des Gottes steigerten seine Wut ins Unermessliche, und sein ursprüngliches Ich verschwand beinahe völlig. Er wollte diesen Verräter eigenhändig erwürgen und in Stücke reißen. Er empfand nur noch Hass, auf alles und jeden, selbst auf den Gott, dessen Silhouette sich nun schwach in der Dunkelheit abzeichnete. Was war Usul nur für ein erbärmlicher Lügner!
›Was deine Frage angeht, so ist die Antwort nicht ganz einfach. Der Erzfeind ist einer von euch, aber …‹
Dieses »aber« war zu viel. Mit roher Gewalt riss die Stimme die letzte Barriere ein, die Cael in seinem Geist noch aufrechterhalten hatte.
Usul sprach weiter, er nannte verschiedene Namen, aber Cael hörte nichts mehr.
Einen Herzschlag später kam er wieder zu Sinnen – gerade noch rechtzeitig, um zu begreifen, dass er ertrank.
Die Angriffe der Schlangen folgten immer schneller aufeinander. Acht Reptilien lagen bereits tot am Boden, doch die anderen hätten sich auch nicht abschrecken lassen, wenn sie dreißig von ihnen getötet hätten. Die Kadaver schienen sie vielmehr dazu anzustacheln, den Kreis um die Menschen enger zu ziehen, als wären die schimmernden Körper ein Schutzwall, hinter dem sie sich verschanzen könnten. Die Erben mussten immer weiter zurückweichen. Ein wahres Meer aus Schlangen drängte sie Schritt für Schritt auf den Rand des Kraters zu.
Ein Albtraum war Wirklichkeit geworden. Wo Niss auch hinsah, schoben sich Schlangen übereinander und bildeten bisweilen eine regelrechte Mauer aus geschuppter Haut und aufgerissenen Mäulern. Wenn auch nur ein Viertel der Angreifer gleichzeitig vorschnellte, wären sie alle verloren.
Doch das Verhalten der Bestien entbehrte jeder Logik. Obwohl sie in der Überzahl waren, wahrten die meisten von ihnen einen gewissen Abstand zu ihren Opfern, und nur einzelne Tiere gingen immer wieder blitzartig zum Angriff über. Dann jedoch wichen sie keinen Zoll mehr zurück, und die Gefährten mussten sie totschlagen oder mit ihren Schwertern zerhacken, was mit jedem Mal länger zu dauern schien.
Wo mochten diese unzähligen Schlangen nur so plötzlich herkommen? Bei ihrem Marsch über die Insel hatten sie kein Anzeichen ihrer Anwesenheit entdeckt: weder Spuren im Sand noch Höhlen oder unterirdische Gänge. Nun waren die Freunde davon überzeugt, dass Nolan mit seiner Vermutung recht hatte: Es musste eine Verbindung zwischen Usul und den Kreaturen geben, die in seinem Reich lebten. Die Guori versuchten wohl doch nicht ganz grundlos, Fremde von einem Besuch der Insel abzuhalten.
Bald würde auch Niss kämpfen müssen, und bei dieser Aussicht wurde ihr ganz flau im Magen. Wie lange würde sie den schnappenden Mäulern noch ausweichen können? Höchstens ein paar Dezillen, und das auch nur, wenn sie flink war und sich geschickt anstellte. Wenn schon die Kaute ihres Großvaters nicht reichte, um sie zu erschlagen, konnte sie mit ihrem Messer nicht viel gegen die Biester ausrichten.
Vergeblich hatte Niss versucht, den Tiefen Geist eines der Reptilien zu erreichen, aber Schlangen gehörten nicht zu den Arten, auf die Erjaks ihre Kräfte anwenden konnten. In diesem Fall waren die Tiere zwar besonders groß, aber auch das änderte nichts daran.
Immer wieder wich Niss den Angreifern aus, indem sie abrupt beiseite sprang. Erst vor wenigen Tagen war sie aus dem Tiefen Traum erwacht, und jetzt sollte sie sterben?
Plötzlich lief ein Zittern durch die Masse der geschuppten Leiber. Bowbaq und die anderen schlossen den Kreis um den Krater enger, denn auch sie rechneten mit einem letzten tödlichen Angriff. Die Bestien schlängelten wild durcheinander, starrten sie mit toten Augen an und bildeten mit ihren zuckenden Körpern eine unüberwindliche Barriere. Das Ende war nah.
Seltsamerweise schnellte jedoch keine von ihnen vor, um die Erben anzugreifen. Im Gegenteil, die Reihen der Schlangen lichteten sich. Nach und nach wichen sie in die Finsternis zurück und ließen ihre toten Artgenossen zurück. Sie schienen jedes Interesse an den Menschen verloren zu haben.
Die Erben hatten keine Zeit, lange über dieses rätselhafte Verhalten nachzugrübeln: Sie mussten Cael hochziehen und fliehen, solange sie konnten. Keuchend und mit schleimverschmierten Armen holten Bowbaq, Amanon und Keb das Seil ein, langsam, damit Cael nicht gegen die Felswand prallte. Niss fuhr der Schreck in die Glieder, als sie die schlaffe Gestalt sah, die
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