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Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Titel: Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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sie so allzu aufdringliche Besucher auf Abstand halten: Niemand wagte es, die vier Stufen zu erklimmen, ohne ausdrücklich dazu aufgefordert worden zu sein.
    Mit ihr auf dem Marmorpodest saßen die drei höchststehenden Persönlichkeiten Loreliens, abgesehen vom König natürlich: Hylin, der Thronfolger, der mit seinen sechsundzwanzig Jahren vor Lebenslust und Hochmut nur so strotzte, Prinzessin Narcilia, eine zarte junge Dame, die ihr Vater bereits mit dem Sohn von Perbas aus Junin verlobt hatte, und schließlich Aleide von Benelia, der Cousin des Königs, der an diesem Abend wohl der nervöseste Mensch der bekannten Welt war. Er rutschte auf seinem Sessel herum und konnte seine Ungeduld kaum bezähmen. Agenor warf ihm einen drohenden Blick zu. Sie wusste genau, warum seine Nerven blank lagen, aber wenn er seine Anspannung zu deutlich zeigte, würde er noch Aufmerksamkeit erregen, wenn nicht gar Misstrauen wecken. Und das war wirklich das Letzte, was sie gebrauchen konnte.
    Eine weitere Dezime verging. Dann schritt der Herold der Erzherzogin durch den Saal und verkündete den Beginn des vierten Spektakels. Nach den Auftritten einer Jonglagetruppe, eines Akrobatentrios und eines Papageiendresseurs, der Narcilia besonders gut gefallen hatte, sollte nun ein Bärenführer die Gäste zerstreuen. Die Besucher in der Nähe der großen Flügeltür wichen zurück, als der Dompteur und sein Bär Einzug in den Saal hielten. Aleide versteifte sich und blickte starr geradeaus, und auch Agenors Herz schlug plötzlich schneller. Bald war es so weit.
    Der Mann führte das Tier in einem weiten Bogen durch den Saal, bevor er wie vereinbart vor dem Marmorpodest stehen blieb. Das Tier war riesig und hatte das pechschwarze Fell der Bären aus den jerusnischen Bergen. Selbst der Dompteur, ein wahrer Koloss, wirkte neben ihm geradezu schmächtig. Er führte das Raubtier an einer dünnen Kette, die an einem schwarzen Lederhalsband befestigt war. Es sah nicht so aus, als könnte er den Bären damit tatsächlich im Zaum halten. Zwar trug das Tier einen Maulkorb, doch mit seinen scharfen Krallen und seinen kräftigen Armen konnte es immer noch genug Schaden anrichten.
    Bisher war der Bär allerdings recht folgsam gewesen. Erst als er vor dem Podest stand, war er plötzlich wie verwandelt: Er schnaubte laut und wollte sich nicht weiterziehen lassen. Der Dompteur ruckte an der Kette und versetzte ihm einige Stockschläge, um ihn zum Gehorsam zu zwingen, doch damit machte er alles nur noch schlimmer. Der Bär richtete sich auf die Hinterbeine auf und fegte den hünenhaften Dompteur mit einem gewaltigen Prankenhieb von den Füßen. Die Gäste kreischten auf. Dann torkelte der Bär die Stufen des Podests hoch.
    Agenor erwischte er als Erste. Ungestüm warf er ihren Sessel um, so dass die alte Dame zur Seite geschleudert wurde und ein Stück über den Boden rutschte. Noch bevor sie sich aufrichten konnte, hatte das Raubtier dem Thronfolger mit seinen scharfen Krallen den Bauch aufgeschlitzt und der Prinzessin mit einem einzigen Tatzenschlag das Genick gebrochen. Nur Aleide hatte sich gleich zu Anfang mit einem Sprung in Sicherheit gebracht. Entsetzensschreie hallten durch den Saal, während mehrere Graue Legionäre mit gezogenen Waffen herbeistürzten, um den Bären zu töten.
    Immer noch am Boden liegend, beobachtete Agenor den Kampf zwischen ihren Männern und dem Bären. Doch obwohl das Tier wild um sich schlug, konnte es den Speeren und schweren lorelischen Schwertern, die sich ihm ins Fleisch bohrten, nicht lange standhalten. Nach wenigen Dezillen ging der Bär zu Boden. Neben der Leiche des Dompteurs und denen der Thronerben lagen zwei tote Legionäre.
    Als die Bestie besiegt war, scharten sich hilfsbereite oder sensationslüsterne Besucher um die Opfer des Blutbads. Jemand streckte der Erzherzogin die Hand hin und half ihr auf. Dass sie am ganzen Leib zitterte, war nicht einmal gespielt.
    Man beugte sich über Narcilia und Hylin, tastete nach ihrem Puls und hoffte auf ein Wunder – vergeblich. Der Prinz und die Prinzessin weilten nicht mehr unter den Lebenden, und die Nachricht von ihrem Tod verbreitete sich wie ein Lauffeuer in sämtlichen Gemächern des Palasts.
    Agenor spürte den Stimmungsumschwung sogleich. Die Gäste schienen sie mit ganz neuen Augen anzusehen, während der Kadaver des Bären fortgeschafft wurde und sie auf ihrem Sessel, den irgendjemand wieder aufgerichtet hatte, um Fassung rang. Sie war nun nicht mehr die verwitwete

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