Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
der Insel Zuia zurückzulassen. Doch zwei Dinge hatten ihn davon abgehalten.
Zum einen konnte er Niss nicht verlassen, nicht nach dem, was ihr in Züias Palast zugestoßen war. Das brachte er einfach nicht übers Herz. Bevor er fortging, wollte er sich von ihr verabschieden, und dazu musste er warten, bis sie aufwachte. Und wenn das zu lange dauerte, würde er ihr eben einen Brief schreiben.
Zum anderen musste er seinen Freunden unbedingt ein letztes Mal helfen, indem er ihnen den Namen des Erzfeinds verriet. Irgendwann würde er sich zwangsläufig daran erinnern, schließlich hatte sein anderes Ich Usuls Antwort gehört. Sobald er tief genug in seinem Gedächtnis gegraben hätte, würde er seine Gefährten verlassen, um sich einsam und allein der Hoffnung hinzugeben, dass der Sieg der Erben über Sombre ihn zugleich von seinem inneren Dämon befreite.
Aber vielleicht würde er gar nicht mehr von ihm befreit werden wollen, wenn sein dunkles Ich erst einmal die Kontrolle über seinen Körper übernommen hätte.
Erneut schnürte ihm die Angst die Kehle zu. Als Amanon ihm an Deck entgegenkam, machte er abrupt kehrt, weil er fürchtete, in Tränen auszubrechen, wenn sein Cousin ihn ansprach. Was würde nur aus ihm werden? Was hatte Sombre ihm angetan?
In welch eine Bestie hatte der Dämon ihn verwandelt?
Nach einem hastigen Blick über die Schulter schob er die Ärmel seines Hemds hoch und betrachtete die Schnitte, die die Dolche der Züu auf seinen Unterarmen hinterlassen hatten. Vergiftete Dolche.
Es war die einzige Stelle seines Körpers, an der die Züu-Priester ihn getroffen hatten, aber eigentlich hätte ihn schon ein einziger oberflächlicher Kratzer töten müssen.
Warum war er noch am Leben? In Lorelia hätte ihn ein Dolchstoß der K’lurier in die Brust fast dahingerafft. Warum hatten die Hatis der Züu, die zu den gefährlichsten Waffen der Welt zählten, ihm weniger anhaben können als der Zackendolch?
Ohne Zweifel lag das an der Macht des Dämons, der in ihm wohnte. Was bewirkte er sonst noch? Verlor Cael nicht nur allmählich den Verstand, sondern auch seine Menschlichkeit?
Ihm grauste davor, was die Stimme mit ihm anstellte.
Die Wut und Blutgier seines inneren Dämons nahmen bisweilen ein solches Ausmaß an, dass er sich wie ein wildes Tier verhielt, jede Hemmung verlor und blindwütig um sich schlug. Manchmal konnte er sich im Nachhinein nicht einmal mehr an seine Taten erinnern. Deshalb hatte er auch den Namen des Erzfeinds vergessen, obwohl er sicher war, ihn gehört zu haben.
Immerhin wusste er inzwischen, was gegen Ende seiner Begegnung mit Usul passiert war. Beim Kampf gegen die Boten Zuias war ein Teil seiner Erinnerung zurückgekehrt. Die Stimme hatte ihn dazu angestachelt, den allwissenden Gott anzugreifen.
Was anschließend geschehen war, lag nach wie vor im Dunkeln. Cael wusste nur noch, dass er fast ertrunken wäre und seine Gefährten ihn gerade noch rechtzeitig hochgezogen hatten. Vermutlich hatte Usul ihm aus Rache die Luftblase entzogen, die er seinen Besuchern gewährte. Eigentlich kam es einem Wunder gleich, dass der Unsterbliche ihn nicht auf der Stelle getötet, sondern zugelassen hatte, dass seine Freunde ihm das Leben retteten. Aber schließlich war es Usuls einziger Zeitvertreib, Sterbliche zu beobachten Und ihren hilflosen Kampf gegen das Schicksal zu verfolgen. Hätte er Cael getötet, wäre er wieder zur Langeweile verdammt gewesen.
Wenn die Stimme das nächste Mal die Kontrolle übernahm und ihn in blinde Raserei versetzte, würde die Sache vielleicht nicht so glimpflich ausgehen. Cael hoffte inständig, dass sein innerer Dämon nicht allen Erben zum Verhängnis wurde.
»Du musst etwas essen«, drängte Zejabel.
Eryne warf einen zweifelnden Blick auf die Blechschüssel, die ihre Freundin ihr hinhielt. Eigentlich hätte sie nach dem tagelangen Marsch durch die Sümpfe des Lus’an, dem Kampf in Zuias Bibliothek und der gefährlichen Kletterpartie hinab zum Meer völlig ausgehungert sein müssen. Zugegebenermaßen duftete der Eintopf, den Keb gekocht hatte, auch überaus köstlich. Dennoch fühlte sich Eryne nicht imstande, auch nur einen Bissen herunterzubringen. Sie hatte die Gedanken so vieler kaltblütiger Züu-Mörder vernommen, dass ihr vor Abscheu ganz schlecht war.
»Denk an dein Kind«, versuchte es Zejabel erneut. »Du musst bei Kräften bleiben.«
Sie hatte das richtige Argument gefunden: Mit einem matten Lächeln nahm Eryne die Schüssel entgegen.
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