Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
zu liegen, dabei hatte er Kaul erst vor wenigen Dekaden verlassen. Wenn man allerdings bedachte, welche Abenteuer sie seither Tag für Tag erlebt hatten, war es nicht weiter verwunderlich.
Abermals drehte er eine Runde an Deck, um die Segel zu überprüfen und an allen Tauen zu ruckeln. Zwar würde Amanon vermutlich eine Nachtwache aufstellen, aber er wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Nachdem er sich dieser Tätigkeit einige Dezillen gewidmet hatte, musste er sich eingestehen, dass er sich etwas vormachte. In Wahrheit hatte er ganz einfach Angst, unter Deck zu gehen, weil er den Anblick von Niss’ regloser Gestalt nicht ertrug.
Genauso wenig wie die Blicke seiner Gefährten.
Dabei hatte bisher niemand auch nur ein Wort über seinen jüngsten Anfall verloren. Das überraschte ihn jedoch nicht: Seine Freunde machten sich Sorgen um Niss, um Erynes ungeborenes Kind oder zerbrachen sich den Kopf über den Dämon, der sie irgendwann unweigerlich aufspüren würde. Außerdem hatte Cael in seinem Wahn diesmal keinen seiner Gefährten angegriffen, sondern unter dem Einfluss der Stimme, die die Kontrolle über seinen Körper übernommen hatte, den Erben geholfen und ihre Feinde niedergestreckt. Es gab also keinen Grund, sich zu grämen.
Doch ihm machte etwas viel Schlimmeres zu schaffen. Er hatte eine Schwelle überschritten, von der seine Gefährten nichts ahnten. Jetzt konnte er nicht mehr hoffen, dass die Stimme irgendwann von selbst verstummte, wie ein Schmerz, der abklang, wenn man sich nur ordentlich ausschlief. Die Stimme war da. Sie würde immer da sein. Und sie wurde immer lauter.
Auch jetzt spürte Cael, wie sein innerer Dämon gegen die Barrieren in seinem Kopf anrannte, hinter denen er gefangen war, wie er Bilder der Gewalt und des Hasses in ihm aufblitzen ließ, um ihn zu zwingen, ihn freizulassen. Seit dem Kampf in Zuias Palast hatte er sich nicht mehr beruhigt, und als die Dornhaie das Ruderboot angegriffen hatten, war seine Stimme noch mächtiger geworden. Bislang konnte Cael sich ihr ohne große Mühe widersetzen, aber würde seine Kraft auf Dauer reichen? Jedes Mal, wenn die Stimme die Oberhand gewann, schien die Bestie in ihm stärker zu werden. Es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sie endgültig die Kontrolle übernahm. Sobald er erneut in Gefahr geriet oder es zu einem Kampf kam, würde der Dämon aus seinem geistigen Gefängnis ausbrechen, und vielleicht würde es ihm dann nicht mehr gelingen, ihn zurückzudrängen.
Cael ging davon aus, dass sich seine innere Zerrissenheit auf seinem Gesicht widerspiegelte. Seit dem Kampf in Zuias Palast war er nicht mehr derselbe. Die Stimme in seinem Kopf wurde nicht nur immer lauter, sondern war ihm mittlerweile auch viel vertrauter. Manchmal hatte er sogar das Gefühl, sie zu verstehen. In solchen Momenten fand er die Logik ihrer Argumente geradezu bestechend.
Wenn ich ein unbesiegbarer Krieger werden kann, warum sollten sich die anderen Sterblichen mir dann nicht unterwerfen?
Doch wenn gleich darauf Caels eigentliche Natur wieder die Oberhand gewann, hasste er sich für solche Gedanken.
Niss hatte gesagt, sein eigener und der fremde Geist könnten nicht zu einer Einheit verschmelzen. Irgendwann würde der eine den anderen vernichten. Dieser Kampf schien bereits in vollem Gange zu sein. Und deuteten seine Stimmungsschwankungen nicht schon jetzt daraufhin, wer den Sieg davontragen würde?
Schließlich hatte Usul ihm prophezeit, er werde sich irgendwann seiner Stimme unterwerfen. Natürlich konnte sich Cael an die Hoffnung klammern, dass die Prophezeiungen des Gottes ungewiss wurden, sobald er sie aussprach. Im Prinzip konnte auch das genaue Gegenteil dessen eintreten, was Usul vorhergesagt hatte, aber das glaubte Cael von Tag zu Tag weniger.
Usul hatte auch verkündet, dass einer der Gefährten die anderen verraten würde. Und wenn Cael den Einflüsterungen seiner Stimmte lauschte, die ihm schier den Verstand raubten, zweifelte er kaum noch daran, wer dieser Verräter sein würde: er selbst. Sobald er den Kampf gegen die Stimme in seinem Kopf verloren hätte.
Irgendwann würde es ihm richtig Vorkommen, Unschuldige dahinzumetzeln, um seine Überlegenheit unter Beweis zu stellen. Spielte er nicht schon jetzt manchmal mit dem Gedanken?
Cael wollte jedenfalls lieber sterben, als seine Freunde zu gefährden. Als die Feluke am Abend auf das Ruderboot zugesegelt war, hatte er sogar kurz überlegt, ob er die anderen nicht bitten sollte, ihn auf
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