Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
blätterte er in der Fibel, deren Aufbau er allmählich auswendig kannte. Schließlich hielt er bei dem Bild einer schwarzen Wolke inne, aus der ein Blitz zuckte. Darunter befanden sich drei bunte Schriftzeichen.
»Erkennst du diese Symbole?«
Zejabel nickte, und ein leises Lächeln erhellte ihr Gesicht. Mehr brauchte Amanon nicht zu wissen. Er selbst hatte die Zaya’nat nur kurz gesehen und der Waffe keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Doch Zejabel hatte sie Tag für Tag vor Augen gehabt. Der Name der Lanze war in ihre Spitze eingraviert. Also ähnelten sich die Wörter für Gewitter im Ethekischen und Altitharischen.
Die beiden Sprachen waren miteinander verwandt!
Diese Entdeckung war ein unverhoffter Glücksfall. Seit langem beherrschte Amanon das Altitharische nahezu perfekt. Wenn seine Vermutung stimmte, musste er sich nur noch überlegen, welcher Begriff mit den Bildern in der Fibel jeweils dargestellt werden sollte, dann das entsprechende altitharische Wort in seine Silben zerlegen und diese Laute wiederum den einzelnen ethekischen Schriftzeichen zuordnen. Hätte er dann erst einmal einen Großteil der Zeichen entschlüsselt, würde er sämtliche Bücher aus dem Ethekischen erst ins Altitharische und von dort ins Hochitharische übertragen können, der gemeinsamen Sprache der Erben.
Die Übersetzung der ethekischen Schriften wäre demnach weniger schwierig, als er befürchtet hatte. Eilig dankte er Zejabel und vertiefte sich wieder in das Lesebuch, eine Feder in der Hand und mehrere unbeschriebene Pergamente vor sich.
Schon nach wenigen Dezillen bekam Amanons Begeisterung jedoch einen Dämpfer. Sein Problem mit den Farben bestand weiter. Er probierte verschiedene Möglichkeiten durch, aber er fand einfach keine Lautfolge, die irgendeinen Sinn ergeben hätte.
Das Wissen der Etheker blieb ihm verschlossen.
Eryne erwachte gegen Ende des fünften Dekants; sie hatte fast den ganzen Tag verschlafen. Bowbaq, der an Niss’ Bett wachte, ging den anderen Bescheid sagen. Amanon brütete immer noch über seinen Büchern, Keb saß mit der Angel in der Hand an Deck und plauderte mit Cael, der seit dem Morgen am Steuer stand, und Nolan las wieder einmal in Corenns Tagebuch und suchte alle Stellen heraus, an denen Saats Schwert erwähnt wurde. Nur Zejabel streifte ruhelos hin und her, weil sie keine sinnvolle Beschäftigung fand. Die lange Untätigkeit schlug ihr aufs Gemüt. Sie war froh, auf der Feluke einigermaßen in Sicherheit zu sein, sehnte sich jedoch auch nach Abwechslung. Mit jeder Dezille, die sie auf dem Meer verbrachten, kam Sombre der Verwirklichung seiner finsteren Pläne näher. Deshalb nahm sie die Nachricht, dass Eryne aufgewacht war, mit Erleichterung auf. Endlich könnte sie sich wieder nützlich machen: Sie würde Eryne bei ihrer Entwicklung zur Göttin begleiten.
Als sie in die Kajüte trat, warf Eryne ihr einen traurigen Blick zu. Noch bevor Zejabel nach dem Grund fragen konnte, versammelten sich auch die anderen in dem engen Raum. Zwar erwiderte Eryne das Lächeln ihrer Freunde, wurde dann aber gleich wieder ernst und räusperte sich.
»Ich bin nicht der Erzfeind«, sagte sie ohne Umschweife.
Alle machten ungläubige Gesichter, nur Zejabel verzog keine Miene. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Eimer kalten Wassers über den Kopf gegossen, denn sie begriff sofort, was das bedeutete. Dass Eryne sich sicher war, bezweifelte sie nicht eine Dezille, sonst hätte die Freundin sie nicht so mitleidig angesehen.
»Das wissen wir nicht«, widersprach Amanon. »Es könnte jeder von uns sein.«
»Jeder, außer mir«, beharrte Eryne. »Während ich schlief, habe ich … Wie soll ich das beschreiben? Ich habe für einen kurzen Moment etwas gespürt. Stimmen, die anders waren als alles, was ich bisher vernommen habe. Unter ihnen war auch Züias Stimme. Die Dämonin ist nicht tot. Also kann ich nicht der Erzfeind sein.«
Alle Blicke wandten sich Zejabel zu, doch das Blut pochte ihr viel zu heftig in den Schläfen, als dass sie auch nur ein Wort hätte herausbringen können. Stocksteif stand sie da, unfähig sich zu rühren. Innerlich kochte sie vor Wut und bebte zugleich vor Angst. Zuia war also noch am Leben. Diejenige, in die Zejabel all ihre Hoffnungen gesetzt hatte, konnte die Dämonin nicht besiegen. Und Züias Hass auf ihre einstige Dienerin und die Erben musste seit den Ereignissen auf der Insel noch gewachsen sein.
»Und du hast das nicht geträumt?«, fragte Bowbaq
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