Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
vorsichtig. »Nach allem, was du durchgemacht hast, wäre das nur verständlich.«
»Nein«, versicherte Eryne. »Es war zwar seltsam, aber kein Traum.«
»Und hat Zuia deine Anwesenheit auch gespürt?«, fragte Nolan.
»Ich weiß nicht. Es könnte sein.«
Zejabel stöhnte leise auf: Wenn Zuia wusste, wo sich Eryne aufhielt, würde sie der
Othenor II
sofort ihre Schiffe hinterherschicken. Dem Kampf gegen eine ganze Schar Zü-Priester fühlte sich Zejabel zwar gewachsen, aber der Dämonin selbst konnte sie nicht noch einmal die Stirn bieten. Nach dem ersten Schock überkam Zejabel tiefe Mutlosigkeit. Alle Kraft schien aus ihren Gliedern zu weichen, sie sank auf eine Koje und vergrub den Kopf in den Händen.
»Selbst wenn wir davon ausgehen, dass Zuia tatsächlich noch lebt«, sagte Amanon, »hat das nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Wir haben angenommen, dass derjenige, der Sombre besiegen kann, auch imstande ist, andere Götter und Dämonen zu töten. Aber das war lediglich eine Vermutung. Vielleicht kann der Erzfeind tatsächlich nur Sombre bezwingen. Und in diesem Fall könntest du sehr wohl der Erzfeind sein.«
»Ganz davon abgesehen, dass du Zuia nicht aus eigenem Antrieb erstochen hast. Du hast schließlich nur die Lanze gehalten«, pflichtete ihm Nolan bei.
Zejabel dankte Nolan mit einem flüchtigen Lächeln. Vielleicht hatte er recht. Es war immer noch möglich, dass Eryne der Erzfeind war und sie alle rettete. Ihre Freundin hingegen schien diese Aussicht nicht gerade hoffnungsfroh zu stimmen. Offenbar wäre sie diese Bürde am liebsten ein für alle Mal losgeworden. Wieder einmal standen die Erben vor unzähligen offenen Fragen, auf die sie keine Antworten fanden.
Obwohl Eryne den ganzen Tag geschlafen hatte, wirkte sie erschöpft. So verabschiedeten sich ihre Freunde nach ein paar aufmunternden Worten und wandten sich wieder ihren Aufgaben zu. Auch Zejabel schickte sich an zu gehen, als Eryne sie zu sich winkte.
»Das ist noch nicht alles«, vertraute sie ihr an. »Im Schlaf, also im Zustand der Entsinnung, da war mir so, als hörte ich Niss’ Stimme.«
Die Zü warf einen raschen Blick auf den leblosen Körper des Mädchens in der gegenüberliegenden Koje und sah Eryne dann tief in die Augen. »Glaubst du es nur oder bist du dir sicher?«
Eryne musste nicht lange nachdenken. »Ich bin mir sicher. Sie hörte sich völlig verzweifelt an und flehte um Hilfe. Genau wie damals, als sie fast ertrunken wäre. Was soll ich nur tun? Ich traue mich nicht, Bowbaq davon zu erzählen. Es ist so schrecklich!«
Sie schlug eine Hand vor den Mund und versuchte vergeblich, ein Schluchzen zu unterdrücken. Zejabel streichelte ihr tröstend die Schulter.
Als sich Eryne etwas beruhigt hatte, fragte Zejabel weiter.
»Hast du versucht, ihr zu antworten?«
»Ja, aber es ging nicht«, sagte Eryne todunglücklich. »Ich kann nicht mit den Stimmen sprechen, die ich im Zustand der Entsinnung höre. Sie nehmen meine Anwesenheit nicht wahr.«
»Anders als Zuia hast du also nicht die Fähigkeit, in Gedanken zu den Sterblichen zu sprechen«, sagte Zejabel nachdenklich. »Du hast sicher andere Kräfte. Wir müssen nur herausfinden, welche.«
»Aber wie kommt es, dass ich Niss’ Hilferufe höre?«, fragte Eryne beunruhigt.
»Niss ist nicht tot. Wenn ich Bowbaq richtig verstanden habe, befindet sie sich in einer Art Dämmerzustand, weil sie sich mithilfe ihrer Erjak-Kräfte eines fremden Körpers bemächtigt hat und dieser Körper gestorben ist. Jetzt irrt ihr Geist in einer Zwischenwelt herum, die sie den Tiefen Traum nennt.«
»Aber wie kann es sein, dass ich ihre Stimme höre, obwohl sie ein Gwelom trägt?«
Abermals betrachtete Zejabel Niss’ reglose Gestalt. Das war in der Tat seltsam. Aber vielleicht traf ja die einfachste Erklärung zu.
»Ihr Körper und ihr Geist sind zurzeit offenbar voneinander getrennt. Deshalb wird ihr Geist nicht mehr von dem Gwel verborgen – so stelle ich mir das zumindest vor.«
»Und warum kehrt ihr Geist nicht einfach wieder in ihren Körper zurück? Bei Eurydis, warum ist das alles nur so kompliziert?«
»Niss ist zwar nicht tot, aber der Körper, den ihr Geist kontrolliert hat, ist gestorben. Und anders als beim ersten Mal war es diesmal ein Mensch, kein Tier, und er starb eines gewaltsamen Tods. Man hat mich gelehrt, dass auf dieser Welt Gesetze gelten, die wir Sterbliche nicht begreifen. Vielleicht verhindert ja eines dieser rätselhaften Gesetze, dass Niss aufwacht und gesund
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