Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
der Menschheit. Sie hofften eigentlich nur, endlich Antworten auf ihre Fragen zu bekommen.
Als Erstes durchblätterte Amanon sämtliche Manuskripte und suchte nach einem Bild von den Pforten oder einem anderen offensichtlichen Hinweis auf das Jal. Nolan bot ihm Hilfe an, und einen knappen Dekant lang steckten beide ihre Nasen eifrig in jedes Buch. Das Ergebnis war enttäuschend, auch wenn sie auf einige wenige Stellen mit Symbolen stießen, die sie an Corenns Abschrift erinnerten. Sie markierten die Seiten mit Lesezeichen, um sie sich genauer anzusehen, sobald sich Amanon mit dem fremdartigen Alphabet vertraut gemacht hätte. Es erwies sich als großes Glück, dass die Erben einen Übersetzer unter sich hatten.
Nachdem sie alle Bücher durchgesehen und nach ihrer Brauchbarkeit sortiert hatten, nahm sich Amanon die ersten Seiten einer Lesefibel vor und versuchte, nicht daran zu denken, wie sehr die Zeit drängte. Während er über den geschwungenen Symbolen aus Strichen und farbigen Flächen brütete, die seit Jahrtausenden niemand mehr verwendete und deren Bedeutung längst in Vergessenheit geraten war, hatte er das seltsame Gefühl, einen Kampf zu führen: einen Kampf um ihr aller Überleben.
Eine ganze Weile starrte er ratlos auf die Zeichen, bis ihm vor lauter Nachdenken der Schädel brummte. Er kam kein Stück voran. Zwar war das Buch eine Lesefibel, und Amanon war es durchaus gewohnt, sich fremde Sprachen anzueignen, aber er durchschaute die Logik des Alphabets einfach nicht. Je länger er grübelte, desto verwirrender kam es ihm vor.
Um die Schrift zu entschlüsseln, brauchte er irgendeinen Anhaltspunkt, etwa ein geläufiges Wort, das leicht wiederzuerkennen war. Daraus würde er Rückschlüsse auf andere Wörter ziehen können und sich so allmählich immer mehr Vokabeln erschließen. Doch selbst die Zeichenfolgen, deren Bedeutung in der Fibel erklärt wurde, waren kaum voneinander zu unterscheiden. Jedes Mal, wenn er dachte, endlich einem Wort auf die Spur gekommen zu sein, fand er gleich darauf ein Gegenbeispiel, das seine Annahme zunichtemachte.
Schuld daran waren die Farben der Schriftzeichen, die ein unverzichtbarer Bestandteil des ethekischen Alphabets zu sein schienen. So hatte eine bestimmte Abfolge von Zeichen offenbar verschiedene Bedeutungen, je nachdem, ob sie mit einem blauen oder einem gelben Symbol begann. Selbst die Bilder, die hie und da den Text illustrierten, halfen Amanon nicht weiter, denn auch sie erklärten nicht, warum das Wort für ein und denselben Gegenstand mal gelb und mal grün war. Insgesamt gab es sieben verschiedene Farben, wobei Schwarz die einzig neutrale zu sein schien. Und selbst das war nichts weiter als eine Vermutung …
Beharrlich, wie er war, gab Amanon nicht so schnell auf. Er ließ sogar das gemeinsame Essen zum Mittag ausfallen, um weiter über den Büchern zu brüten. Nachdem er sich einen weiteren halben Dekant vergeblich abgemüht hatte, bat er Zejabel um Hilfe, weil er nichts unversucht lassen wollte. Sie setzte sich neben ihn an das Holzbrett, das ihm als Schreibpult diente.
»Erkennst du vielleicht eins dieser Zeichen wieder?«
Die Zü starrte eine Weile konzentriert auf die aufgeschlagene Fibel und schüttelte schließlich den Kopf.
»Und was ist mit gesprochenem Ethekisch?«, bohrte Amanon weiter. »Hat Zuia hin und wieder eine Sprache gesprochen, die du nicht verstanden hast?«
»Ja, als sie auf der Insel Ji den Leviathan rief. Ich glaube, das war Ethekisch.«
»Damals ging alles so schnell«, sagte Amanon seufzend. »Ich konnte mir keins ihrer Worte merken. Erinnerst du dich vielleicht noch an etwas anderes? Einen Ausdruck, den sie von Zeit zu Zeit gebrauchte? Einzelne unverständliche Wörter?«
Zejabel schloss die Augen und durchforstete ihr Gedächtnis, obwohl sie die Vergangenheit am liebsten vergessen hätte. Als sie die Augen wieder aufschlug, zuckte sie nur bedauernd mit den Schultern. »Zuias heilige Lanze heißt Zaya’nat«, fiel ihr dann plötzlich ein. »Der Name ist kein Ramzu. Die Dämonin hat behauptet, er bedeute Donner.«
»Auf Altitharisch heißt Gewitter
zayenath.
Vermutlich stammt der Name daher.«
»Nein, die Lanze ist wesentlich älter als die ersten itharischen Siedlungen. Es heißt, sie sei schon immer in Zuias Besitz gewesen.«
In diesem Moment blitzte ein Bild vor Amanons Augen auf: Eryne, die auf der Flucht aus Zuias Palast eine Lanze umklammert hielt, in deren Eisenspitze Symbole eingraviert waren. Fieberhaft
Weitere Kostenlose Bücher