Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
frühester Kindheit quälte. Er musste sich nicht mehr fragen, woher sie kam oder was sie mit ihm anstellte. Vielleicht konnte er sie sogar bekämpfen, um sie für immer zum Schweigen zu bringen, auch wenn Usul prophezeit hatte, dass er daran scheitern würde. Aber dafür musste er seine Freunde verlassen, und zwar so schnell wie möglich.
Bis dahin würde er sich irgendwie die Zeit vertreiben und seine wahren Absichten vor den anderen verbergen. Er beschloss, eine Weile mit Kebree zu plaudern. Der wallattische Prinz hatte so viele interessante Geschichten auf Lager, dass Cael seinen Kummer für eine Weile vergaß. Gespannt lauschte er Kebs Erzählungen von seiner Heimat und der Vergangenheit des wallattischen Königreichs.
Die Wallatten waren schon immer ein Kriegervolk gewesen, da Thalitten und Solener seit jeher gegen ihre Grenzen angestürmt waren. Die Thalitten waren auch in die meisten Scharmützel zwischen dem goronischen Kaiserreich und den Ländern des Ostens verstrickt, denn obwohl sie im Tal der Krieger seit Jahrhunderten Niederlage um Niederlage erlitten, tat das ihrer Eroberungslust keinen Abbruch. Eines Tages war dann Saat in Wallatt aufgetaucht. Die wallattischen Fürsten, allen voran Gors der Zimperliche, schlossen sich dem Hexer zunächst nur an, um sich ein für alle Mal die Vorherrschaft über ihre angestammten Gebiete zu sichern. Er aber versprach ihnen sämtliche Schätze der Oberen Königreiche, und schon bald ließen sie sich von seiner Gier anstecken. Als sie genügend Sklaven gefangen genommen hatten, begannen die Arbeiten an dem Tunnel unter dem Rideau.
Nach der Niederlage in der Schlacht am Blumenberg und Saats Tod nutzten Thalitten und Solener die Schwäche der Wallatten aus. Zwar gelang es Königin Che’b’ree, die verstreuten Klans zu einen und sich die Hoheit über das Gebiet rund um die Hauptstadt Wallos zu sichern, doch sollten sich Solener und Thalitten jemals gegen ihr kleines Reich verbünden, würden sie Wallatt mit Leichtigkeit dem Erdboden gleichmachen. Das wäre das sichere Ende einer Kultur, die nie richtig aufgeblüht war. In einem Anflug von Wehmut machte Keb Cael ein Geständnis: Er hatte seiner Mutter geschworen, dass er es nicht so weit kommen lassen würde.
Zu weiteren Vertraulichkeiten ließ sich der Krieger jedoch nicht hinreißen. Seine eigene Vergangenheit oder seine Zukunftspläne erwähnte er mit keinem Wort, und als Cael es wagte, ihm eine persönliche Frage zu stellen, erntete er nur ein schiefes Grinsen und eine spöttische Bemerkung. Keb war gerade einmal dreiundzwanzig, strotzte vor Kraft und Stolz und lag die meiste Zeit lässig an Deck herum, eine Angel zwischen die Knie geklemmt, und doch schien er nicht mehr viel vom Leben zu erwarten. Ganz so, als ginge ihn das alles nichts an, als glaubte er, keinen Anspruch auf Glück zu haben. Ob er sehr unter seiner Abstammung litt? Was war es wohl für ein Gefühl, einen Mörder wie Saat zum Vater zu haben?
Vermutlich empfand Keb Hass. Und Scham.
Natürlich war dieses Gefühl unbegründet, aber er kam wohl nicht dagegen an. Man musste sich nur einmal ansehen, wie unbesonnen Keb kämpfte, wie er in der Schänke Krug um Krug leerte, bis er umfiel, und wie er jede Chance vertat, Erynes Herz zu erobern. Er schien in dem Glauben zu leben, Buße tun zu müssen. Cael hoffte für ihn, dass er durch den Kreuzzug, den die Erben gegen Sombre führten, endlich Frieden finden würde.
Offenbar war er nicht der Einzige, der einen inneren Kampf auszufechten hatte.
***
Diesen Traum hat sie schon einmal geträumt. Das heißt, sie träumt ihn jetzt gerade, auch wenn dieser Augenblick mit einem Mal sehr weit in der Vergangenheit zu liegen scheint, nur um gleich darauf jäh mit der Gegenwart zu verschmelzen. Im tiefen Traum folgt die Zeit keiner Logik. Nur eins weiß sie mit Sicherheit: Sie ist darin gefangen. Und sie leidet darunter.
Sie fühlt sich verloren und fehl am Platz. Noch gehört sie nicht hierhin. Die Landschaft ist wunderschön, aber sie will trotzdem nicht für alle Ewigkeit darin herumspazieren. Doch so einfach ist das nicht … Selbst über all das nachzudenken, fällt ihr schwer. Sie weiß nur, dass sie nicht hier sein sollte.
Sie versucht es zu sagen, aber niemand scheint sie zu bemerken. Sie ruft um Hilfe, aber sie kann ihre eigene Stimme nicht hören. Sie überlegt, ob sie sich einem der Kinder nähern soll, die im Schatten eines Baums schlafen. Nein. Irgendetwas hält sie davon ab. Irgendetwas sagt ihr,
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