Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
Boote nebeneinander. Auf dem Deck der Galuppe waren mehrere wuchtige Schrankkoffer und verschiedene Möbel festgezurrt, und auch aus der Luke zum Laderaum quoll Hausrat hervor. Es sah ganz so aus, als schliefen die armen Leute an Deck inmitten ihrer Habseligkeiten.
Der Mann, ein breitschultriger Kerl mit bloßen Füßen, sprach sie auf Goronisch an. Nolan blickte zu Amanon, der die Frage mit einem Nicken beantwortete.
»Sprecht Ihr Itharisch?«, erkundigte sich Amanon.
»Ja«, erwiderte der Mann. »Wie viel Geld wollt Ihr denn für das Trinkwasser?«
»Wir wollen kein Geld von Euch. Ihr könnt ein Fass von unseren Vorräten haben. Wir haben mehr als genug.«
Der Fremde lächelte seiner Frau zu, die sich erleichtert an ihn schmiegte. Beide wirkten zutiefst erschöpft. Ihre Haare waren ungewaschen und die Kleider zerlumpt.
»Habt vielen Dank. Ich habe den Fehler gemacht, an Bord nicht genug Platz für Vorräte zu lassen. Wir hofften, etwas Regenwasser auffangen zu können, aber seit wir in See gestochen sind, scheint jeden Tag die Sonne.«
»Woher kommt ihr?«, fragte Nolan.
»Aus der Umgebung von Leem. Wir wollen zu meinem Bruder, der in Mythr einen Gemischtwarenladen führt.«
»Verzeiht, aber … Habt Ihr nicht bedacht, wie gefährlich die Überfahrt in einem so kleinen Boot ist?«
»Es ist das einzige, das ich besitze«, entgegnete der Mann schulterzuckend. »Die Lorelier ließen mir keine Wahl. Und ich kann mich noch glücklich schätzen. Meine Familie ist unverletzt, und wir konnten einen Teil unseres Hab und Guts retten, als sie unser Haus niederbrannten. Unsere Nachbarn hat es viel schlimmer getroffen.«
Nolan und Amanon wechselten einen verwunderten Blick. Nolan war froh, dass er mit seinem Novizengewand und dem kahlrasierten Schädel nicht auf den ersten Blick als Lorelier zu erkennen war, aber gleich darauf fragte er sich, wie er auf diesen Gedanken kam.
»Ihr seid schon eine Weile unterwegs, nicht wahr?«, fragte der Fremde, als er ihre verblüfften Mienen sah. »Vermutlich wisst Ihr nicht einmal, dass König Bondrian und seine Kinder tot sind?«
»Hylin und Narcilia sind auch tot?«, rief Nolan bestürzt.
Sofort bereute er seine Unbedachtheit. Wenn er zu großes Interesse am Schicksal des lorelischen Königshauses zeigte, verriet er damit womöglich seine Herkunft. Er hoffte, den Mann nicht misstrauisch gemacht zu haben.
»Ein dressierter Bär ist bei einem Empfang im Palast plötzlich wild geworden«, erklärte der Fremde. »Er tötete die Thronerben, und Bondrian starb vor Kummer über den Verlust seiner Kinder. Stellt Euch vor, die neue Königin gibt uns Goronern die Schuld. Sie ruft zum Krieg gegen das Große Kaiserreich auf.«
»Wer ist denn die neue Königin?«, fragte Amanon.
Nolan hatte die Antwort bereits erraten. Er kannte die lorelischen Gesetze gut genug, um zu wissen, an wen die Krone gegangen sein musste: an Bondrians jüngere Schwester, Erzherzogin Agenor. Aber war das möglich? Warum sollte diese reiche, zurückgezogen lebende Witwe einen Krieg zwischen den beiden mächtigsten Königreichen der bekannten Welt anzetteln? Vielleicht hatte sie ja recht, wenn sie Goran der Verschwörung zieh?
»Agenor von Lorelia. Eine abscheuliche Hexe!«, rief der Fremde zornig. »Sie hetzt die Lorelier mit Lügengeschichten zu einem Rachefeldzug auf. Mein Dorf wurde von einer aufgebrachten Meute, die über die Grenze kam, in Brand gesteckt. Und das ist erst der Anfang. Es wird ein Blutbad geben. Deshalb haben wir beschlossen zu fliehen, solange es noch möglich ist.«
»Das verstehe ich«, gab Amanon ernst zurück.
Die Erben sahen sich vielsagend an. Es war durchaus denkbar, dass die Spannungen zwischen Lorelien und Goran etwas mit der Grauen Legion und Sombre zu tun hatten. Was bezweckte der Dämon? Wollte er Unfrieden stiften, um die Oberen Königreiche leichter erobern zu können? Oder wollte er die ganze bekannte Welt in Schutt und Asche legen und so das Werk zu Ende bringen, das er vor zwanzig Jahren begonnen hatte?
Ob Sombre nun seine Finger im Spiel hatte oder nicht, Agenor konnte den Krieg nie und nimmer gewinnen. Die goronischen Städte waren uneinnehmbare Festungen, und das Kaiserreich verfügte über die größte Streitmacht der bekannten Welt. Was versprach sich die frisch gekrönte Königin davon, die Lorelier in den Untergang zu führen? Mit einem Sieg konnte sie ja wohl nicht rechnen? War Agenor überhaupt bei Trost?
All diese Fragen gingen Nolan durch den Kopf, während
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