Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
Gefährten sie weniger ehrerbietig, wenn sie neben ihnen stand.
»Du hast es geschafft. Du hast Niss zurückgeholt«, sagte Zejabel mit vor Stolz glänzenden Augen. »Wie hast du das gemacht?«
»Viel musste ich nicht tun«, log Eryne. »Ich hatte großes Glück. Während ich mich im Zustand der Entsinnung befand, bin ich auf Niss’ Geist gestoßen und habe sie einfach … wie soll ich sagen … festgehalten.«
Statt ihren Gefährten die Ehrfurcht zu nehmen, bewirkten ihre Worte das glatte Gegenteil. Alle machten große Augen und warfen Eryne bewundernde Blicke zu.
»Du hast heilende Kräfte«, sagte Bowbaq schüchtern.
»Überhaupt nicht, ich …«
»Er hat recht«, fiel ihr Zejabel ins Wort. »Denk doch nur daran, wie du dich immer um uns kümmerst, wenn wir krank oder verletzt sind. Als ich in Goran dem Tode nah war, hast du die ganze Nacht meine Hand gehalten. Und die anderen haben erzählt, dass du in Lorelia dasselbe für Keb und Cael getan hast. Wir haben nicht nur überlebt, sondern sind auch viel schneller genesen, als zu erwarten war. Das haben wir dir zu verdanken.«
»Du bist Eryne die Heilende«, fügte Bowbaq hinzu.
Als sie das hörte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Nun gab es kein Zurück mehr. Ihr Name war gefallen. Alle Götter trugen einen Beinamen, der ihre Kräfte beschrieb. Noch wollte sie es nicht wahrhaben, wollte diese Bürde nicht auf sich nehmen, doch zugleich wusste sie, dass die Entscheidung nicht mehr in ihrer Macht lag. Eryne die Heilende würde ihr Name sein, so wie es ihr seit jeher bestimmt war. Es hatte ihn nur jemand zum ersten Mal aussprechen müssen.
Um sie herum waren die Mienen ernst geworden, und die Aufregung über Niss’ Rückkehr hatte sich gelegt. Alle hatten das Gefühl, einem bedeutenden Moment beizuwohnen. Dabei müssten sie sich doch eigentlich Sorgen machen, dachte Eryne, während sie zur Luke trat und sie öffnete, um frische Luft hereinzulassen. Jeder Schritt auf dem Weg zur Göttlichkeit brachte sie und ihre Gefährten in größere Gefahr. Auf dem Meer konnten sie sich einigermaßen sicher fühlen, aber was wäre, wenn sie das Festland betraten und anderen Menschen begegneten? Was, wenn ein Gott oder Dämon auf die Erben aufmerksam wurde? Je stärker Erynes göttliche Natur sich zeigte, desto schwächer wurde der Schutz ihres Gweloms.
»Ich kann nicht bei euch bleiben«, hauchte sie.
Sie ließ eine knappe Dezille verstreichen und drehte sich dann zu ihren Freunden um, die wie versteinert dastanden. Am betroffensten wirkte Cael, was sie etwas verwunderte. Aber sie durfte jetzt keinen Rückzieher machen, musste weitersprechen, bevor sie den Mut verlor. »Ich kann nicht zulassen, dass Sombre euch meinetwegen findet«, murmelte sie.
»Wo willst du denn hin?«, fuhr Keb sie an.
»Wir müssen zusammenbleiben«, setzte Amanon nach. »Einer von uns ist der Erzfeind, und nur er oder sie kann die anderen beschützen.«
»Aber ich bin es nicht«, rief Eryne. »Glaubt mir, ich will nicht von euch fort, ganz sicher nicht. Aber ich habe keine Wahl!«
Als sie Amanons traurigen Blick und Kebs störrische, fast wütende Miene sah, geriet ihre Entschlossenheit ins Wanken. Aber nein, ihre Entscheidung stand fest, und je eher sie sie in die Tat umsetzte, desto besser. Götter waren nicht dazu geschaffen, mit Menschen zusammenzuleben. Wie lang ihr Lebensweg auch sein würde, Eryne musste ihn allein gehen.
»Mag sein, dass du nicht der Erzfeind bist«, wandte Amanon ein. »Aber denk daran, dass du ein Kind erwartest. Und dieses Kind ist vielleicht unser Retter.«
Unwillkürlich legte sich Eryne die Hände auf den Bauch und begann zu weinen. Wieder waren es Tränen der Freude und Erleichterung, wie schon nach Niss’ Rückkehr. Amanon hatte ihr einen Vorwand geliefert, um bei ihren Freunden zu bleiben, jenen Menschen, die alles waren, was sie auf der Welt noch hatte. Tief bewegt trat sie zu ihm und schmiegte sich an seine Brust, dann ergriff sie Kebs Hand und zog seinen Arm um ihre Taille. Die anderen verließen die Kajüte, um die drei allein zu lassen. Und als Eryne so dastand, umarmt von ihren beiden Verehrern, die verlegen zu Boden starrten, sprach sie endlich die Worte aus, die ihr seit dem Kampf in Zuia Palast auf der Seele lagen.
»Verzeiht mir«, sagte sie leise.
Sofort war ihr leichter zumute.
Keb und Amanon reagierten sehr verständnisvoll: Sie streichelten ihr die Hand, versprachen ihr, dass sie Sombre besiegen würden, und beteuerten ihr, dass
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