Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
fanden mühelos zwei freie Gespanne. Zurzeit trafen kaum noch neue Pilger ein, und wer sich bereits in der Nähe eines Tempels befand, weigerte sich in diesen unsicheren Zeiten häufig, ihn zu verlassen. So buhlten die Kutscher um die Gunst der wenigen Passagiere, die ihre Dienste in Anspruch nehmen wollten. Manche boten sogar Waren feil, darunter die berühmten eurydischen Masken, die in Itharien und Goran weit verbreitet waren. Amanon bestand darauf, dass jeder von ihnen eine solche Maske aufsetzte, um von den Spionen der Dunklen Bruderschaft nicht so leicht erkannt zu werden. Selbst Nolan kaufte sich eine neue Maske, anstatt seine eigene zu tragen, die zu prachtvoll und damit zu auffällig war, obwohl er sehr an dem Geschenk seiner Eltern hing, das überall mit hinnahm.
Folgsam band sich Cael die Maske aus Kork vors Gesicht, auch wenn ihm dabei eher unwohl zumute war. Sie gab ihm einen Vorgeschmack darauf, welch grauenvolle Zukunft ihn erwartete. Immer wieder malte er sich aus, wie es sich anfühlen würde, in seinem eigenen Körper gefangen zu sein und hilflos mit ansehen zu müssen, wie sein innerer Dämon die schlimmsten Verbrechen beging. So wie jetzt mit der Maske würde keine einzige seiner Gefühlsregungen mehr nach außen dringen, er würde innerlich verkümmern, eingesperrt in einen Körper, über den er keine Kontrolle mehr hätte. Wahrscheinlich konnte er von Glück sagen, wenn er irgendwann den Verstand verlor und die Taten des Dämons für seine eigenen hielt, so wie das schon jetzt manchmal vorkam.
Noch hatte er sich einigermaßen im Griff. Aber in immer kürzeren Abständen geriet Caels Weitsicht für einen Augenblick aus den Fugen. In solchen Momenten fragte er sich, warum die Erben Sombre überhaupt bekämpfen wollten. Wenn der Dämon tatsächlich der mächtigste aller Unsterblichen war, dann war es doch nur natürlich, dass er sich Menschen wie Götter unterwarf.
So will es das Gesetz des Stärkeren nun einmal,
dachte er jedes Mal, wenn er spürte, wie seine Kräfte wuchsen. Sobald seine eigentliche Persönlichkeit dann wieder die Oberhand gewann, hasste er sich für diese Gedanken und versank in Schwermut.
Um nichts Falsches zu sagen, beteiligte er sich kaum noch an den Gesprächen seiner Gefährten. Sie hätten große Augen gemacht, wenn er laut ausgesprochen hätte, was ihm bisweilen durch den Kopf ging. Also verwandte er all seine Konzentration darauf, seinen inneren Dämon nur so weit hervorzulocken, dass er die Lücke in seiner Erinnerung schließen konnte. Er musste unbedingt den Namen des Erzfeinds herausfinden, und je eher ihm das gelang, desto besser. Sonst geschah noch ein Unglück.
Bis dahin musste er einfach versuchen, Ruhe zu bewahren. Er hörte nur mit halbem Ohr zu, während Nolan ihnen von der Geschichte Ithariens erzählte. Selbst in dem feinen Dauerregen, der das Hügelland verschleierte, war die Landschaft wunderschön anzusehen. Kühe und Schafe grasten auf grünen Weiden zwischen ordentlich bestellten Feldern und Gärten. Auch die Dörfer wirkten gastfreundlich, selbst in diesen unruhigen Zeiten. Immer wieder fuhren sie an Schänken oder Herbergen vorbei, die Pilger aufnahmen, und passierten Bretterbuden oder kleine Läden mit Gewändern, Schriften, Götterbildern und Reliquien der wichtigsten Religionen, die in Ith ausgeübt wurden.
Inmitten der Hügel und Wälder stand auch die eine oder andere verwitterte Ruine, die von der reichen Vergangenheit dieser seit Urzeiten besiedelten Gegend zeugte. Schon die Vorfahren der Itharer, die Stämme Iths, hatten hier gelebt, und wenn man den Manuskripten glaubte, die Amanon übersetzt hatte, waren die Etheker die Vorfahren der Iths. Das hatten die Geschichtsschreiber zwar immer vermutet, aber nun hielten die Erben den Beweis dafür in Händen. Wohl hatte es zu jenen Zeiten auch noch andere Völker gegeben, aber nur den Ethekern war es gelungen, sich über sämtliche Kontinente zu verbreiten.
Die Wiege der Menschheit lag also am Fuß der unzugänglichen Höhenzüge des Rideau-Gebirges, an ebenjener Stelle, an der die Itharier ihre Heilige Stadt errichtet hatten, die seit jeher Pilger aus aller Welt anzog. In Ith waren fast alle bekannten Religionen vertreten, auch die finstersten, und in der Abgeschiedenheit der Tempel beteten die Gläubigen seit Jahrtausenden zu ihren Göttern und Dämonen.
Alles in Itharien schien mit Religion zu tun zu haben. Nolan erklärte ihnen, dass noch die schmälste Gasse der Hauptstadt den Namen eines
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