Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
Land zu verlassen. Der Krieg zwischen Goran und Lorelien schien zwar noch nicht bis nach Itharien vorgedrungen zu sein und hatte vielleicht nicht einmal richtig begonnen, aber Maz Nen schien sich bereits für einen Angriff zu rüsten.
Der Anblick schmerzte Nolan. Nachdem bereits die Dämonenverehrer der Dunklen Bruderschaft die Heilige Stadt unsicher machten, wurde sie nun auch noch in eine militärische Festung verwandelt. Andererseits war das Eingreifen der Goroner nur verständlich. Ith lag unmittelbar an der goronischen Grenze, und das Große Kaiserreich konnte diese strategisch so wichtige Stadt nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Vielleicht hatten die Hohepriester des Großen Tempels die Goroner sogar um Schutz vor den Loreliern gebeten. Diese wiederum mussten sich dadurch erst recht bedroht und in ihren Verschwörungsvermutungen bestätigt fühlen.
Das ist nun einmal die Logik des Krieges,
dachte Nolan schicksalsergeben.
Kebs und Amanons besorgte Blicke zeugten davon, dass ihnen ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Der heraufziehende Krieg gefährdete nicht nur die Menschen in ihrer Heimat, sondern drohte auch die Suche der Erben zu erschweren. Es war nicht einmal sicher, ob die Goroner sie zur Heiligen Stadt durchlassen würden. Als Cael auf den Anlegesteg sprang, um die Leinen festzumachen, näherte sich sogleich ein Wachtrupp aus drei Soldaten. Ihre argwöhnischen Mienen und die Art wie sie die Hände an die Griffe ihrer Krummschwerter legten, sprachen Bände: Die kaiserliche Armee befand sich in Alarmbereitschaft. Vermutlich hatten Spitzel der Grauen Legion schon mehrmals versucht, sich auf diesem Weg nach Goran einzuschleichen.
»Wo kommt Ihr her?«, rief einer der Soldaten, ohne sich mit einem Gruß aufzuhalten.
»Aus Mythr«, antwortete Amanon ruhig.
»Und wem gehört das Schiff?«
»Mir und meinem Cousin.« Amanon wies auf Cael. »Wir vermieten es für kürzere Überfahrten, und unsere Passagiere wollen eine Pilgerreise in die Heilige Stadt unternehmen.«
Der Mann runzelte die Stirn und musterte sie genauer.
»Seid Ihr Kaulaner?«, fragte er herablassend.
»Das sind wir«, bestätigte Amanon.
Er sah keinen Grund zu lügen. Eryne war zwar leicht als Lorelierin zu erkennen, aber sie war mit Niss, Zejabel und Bowbaq in der Kombüse geblieben. Auch den beiden Arkariern und der Zü sah man ihre Herkunft einfach zu deutlich an. Keb hingegen ging mühelos als Matrose aus den Ländern des Ostens durch, und Nolan war nur einer von unzähligen eurydischen Novizen. Auf sie würde die Dunkle Bruderschaft kaum aufmerksam werden.
»Kaul hat dem Königreich Lorelien seine Unterstützung zugesagt«, sagte der Soldat säuerlich.
Amanons Verblüffung war nicht gespielt. Es wurden bereits Bündnisse geschmiedet – so schlimm stand es also um die Oberen Königreiche. Dass sich das Matriarchat noch vor Kriegsbeginn auf eine Seite geschlagen hatte, war sonderbar, denn Kaul war im Laufe seiner Geschichte immer um Neutralität bemüht gewesen. Hatten die Valiponden das Große Haus vollends in ihrer Gewalt? Wenn sie mondelang Zugang zu allen Archiven und damit zu allen offiziellen Dokumenten des Ständigen Rats gehabt hatte, konnten sie Urkunden gefälscht und zerstört oder die Ratsfrauen sogar mit Drohungen eingeschüchtert haben.
Die offensichtliche Verblüffung der Erben hatte immerhin den Vorteil, dass die Soldaten ihr Misstrauen verloren. Zwei wandten sich bereits ab, während der dritte einen kürzlich ergangenen Erlass herunterleierte, der im Hafen von Maz Nen und im gesamten Protektorat Itharien galt und sich im Grunde in einem Satz zusammenfassen ließ: »Störenfriede machen wir einen Kopf kürzer.« Damit war klar, wer in Itharien jetzt das Sagen hatte.
Als die Soldaten gegangen waren, versammelten sich die Erben in der Kombüse und berieten ihre Lage. Viel tun konnten sie ohnehin nicht. Der Einmarsch der goronischen Armee in Itharien und die Verwicklung Kauls in den bevorstehenden Krieg durften sie nicht an ihrer Suche nach der Pforte der Etheker hindern. Sie mussten weitermachen, auch wenn die Welt um sie herum im Chaos versank.
Kaum einen Dekant später gingen sie von Bord, beladen mit Waffen, Gepäck, den ethekischen Büchern und so vielen Vorräten, wie sie tragen konnten. Keiner wusste, ob sie die
Othenor II
oder auch nur das Mittenmeer jemals Wiedersehen würden.
Am Hafen standen Mietdroschken bereit, um Reisende von Maz Nen nach Ith und zurück zu befördern, und die Gefährten
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