Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
eine »wichtige Nachricht« sein konnte. Irgendwie hatte er kein gutes Gefühl bei der Sache.
Als der Alte nach mehreren Dezillen nicht zurückgekehrt war, wurde Nolan unruhig, und Zejabel begann ebenfalls, sich nervös nach den anderen umzublicken. Nolan wollte gerade die Flucht ergreifen, als er seinen Lehrer wieder durch den Flur eilen hörte. Emaz Irno trug einen großen, bestickten Leinensack, den er Nolan übergab. Den einstigen Novizen überlief ein Schauer. Ein solch kostbarer Stoff wurde nur für eins verwendet …
»Was ist das?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Die Gewänder eines Maz natürlich. Deine Gewänder!«, antwortete der Priester strahlend.
Angesichts von Nolans fassungsloser Miene fügte er hinzu: »Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass du für immer Novize bleiben würdest, oder? Maz Aden hat schon vor geraumer Zeit beschlossen, seinen Titel an dich weiterzureichen. Vor acht Dekaden ist der Arme nun von uns gegangen. Seit jenem Tag warte ich auf deinen Besuch, um dir die geweihten Gewänder zu übergeben. Und jetzt geh! Du bist in Gefahr und darfst nicht länger verweilen. Betrachte dich von nun an bis zu deinem Tod als einen Vorkämpfer der weisen Eurydis. Es werden bessere Zeiten kommen, mein Junge. Ich werde für dich und die Deinen beten.«
Nolan hatte es die Sprache verschlagen. Während all der Jahre seiner Lehrzeit hatte er diesen Moment stets vor Augen gehabt – und jetzt, wo es so weit war, kam er ihm bedeutungslos vor. Doch dann dachte Nolan an seine Eltern. Wie stolz wäre seine Mutter, weil sein Fleiß endlich belohnt worden war. Aber hatte er das tatsächlich verdient? In seiner Verwirrung wusste er kaum noch, was er denken sollte.
Zejabel, die seine Hilflosigkeit spürte oder ganz einfach die Geduld verlor, nahm die Sache in die Hand: Hastig verabschiedete sie sich von dem alten Mann und zog Nolan die Straße hinunter. Ihre Freunde erwarteten sie in einem dunklen Winkel, wo sie vor neugierigen Blicken geschützt waren.
Den Regeln seiner Religion zufolge durfte sich Nolan fortan »Maz Nolan« nennen. Doch er bezweifelte, dass es ihm jemals gelingen würde, sich selbst als Maz zu sehen – und dass er dieses Ehrentitels überhaupt würdig war.
Wie alle anderen stierte Keb auf dem Rückweg zur Herberge missmutig vor sich hin, wenn auch nicht aus denselben Gründen. Während seine Gefährten sich Sorgen um Cael machten, dachte er an seine Mutter, das Königreich Wallatt und die Feinde, die es bedrohten. Natürlich hoffte auch er, dass sie Cael unverletzt wiederfanden würden. Er mochte den Jungen mit dem unsteten Blick, der in einem Moment schüchtern und verschlossen war, nur um sich gleich darauf in einen unerschrockenen Kämpfer zu verwandeln. Doch die Anwesenheit der goronischen Soldaten in der Stadt und die Vorboten des Krieges erinnerten Keb an die bedrängte Lage seiner Landsleute. Hatten Thalitten und Solener Che’b’rees Palast vielleicht schon in Schutt und Asche gelegt und alle Wallatten gefangen genommen oder getötet? Was erwartete ihn, wenn er eines Tages in seine Heimat zurückkehrte?
Trotzdem kam es Keb nicht in den Sinn, das aufzugeben, was er für seine Pflicht hielt: Sombre zu besiegen. Er wollte den Dämon in das finstere Loch zurückjagen, aus dem er einst hervorgekrochen war, und so seine Mutter befreien, die Sombre zu seiner Sklavin gemacht hatte. Und dieses Ziel konnte er nur gemeinsam mit den Erben erreichen, von denen manche inzwischen sogar seine Freunde geworden waren.
Usuls Prophezeiung, einer der Gefährten werde die anderen verraten, bereitete ihm häufig Kopfzerbrechen. Er fragte sich immer wieder, wer von ihnen zum Verräter werden könnte. Für ihn selbst war es undenkbar, die anderen ans Messer zu liefern. Sie hatten so vieles gemeinsam durchgestanden, so viele Kämpfe Seite an Seite gefochten … Sie hatten so vieles miteinander geteilt.
Vielleicht zu vieles,
dachte er, als er die Tür zum Zimmer der Frauen öffnete und sein Blick auf Eryne fiel.
Auch in der Herberge hatte sich Cael zur allgemeinen Enttäuschung nicht blicken lassen. Doch als Nolan von seinem Besuch bei Emaz Irno erzählte, fiel Eryne ihrem Bruder strahlend um den Hals, bedeckte sein Gesicht mit Küssen und beglückwünschte ihn überschwänglich, weil er in den Rang eines Maz erhoben worden war. Er selbst schien sich nicht so richtig darüber freuen zu können. Eryne redeten auf den widerstrebenden Nolan ein, er solle das Gewand anprobieren, und nach einer Weile gab
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