Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
ihrem Zusammenhalt. Den Erben haftete etwas rätselhaft Göttliches an, das spürte Zejabel ganz deutlich. Vermutlich unterschieden sie sich von anderen Sterblichen, weil sich ihre Eltern für eine Weile im Jal aufgehalten hatten. So überwanden sie auch die größten Gefahren – zumindest, solange sie zusammen blieben.
Und eben deshalb hatte Zejabel Angst. Nachdem sie so viele Kämpfe überstanden hatten, war sie geneigt gewesen, die Erben für nahezu unbesiegbar zu halten. Wie sonst hätten sie so viele Gegner bezwingen können, ohne dass einer von ihnen ernsthaft verletzt wurde?
Doch jetzt war der Zauber gebrochen. Zum ersten Mal war einer der Erben fort, und das nun schon seit fast zwei Tagen. Niemand wusste, wo Cael steckte, ob er überhaupt noch lebte und wie es ihm ging. Nachdem sie auf ihrer Reise alles miteinander geteilt hatten, brachte sie diese Ungewissheit schier zur Verzweiflung.
Also waren die Erben doch nicht vor jedem Unglück gefeit. Während sie abermals die Stadt durchkämmten, nahm sich Zejabel vor, noch wachsamer zu sein als sonst. Die Freunde hatten beschlossen, alle Tempel und Herbergen abzuklappern, in denen Bettler, Kranke und Verzweifelte Almosen bekamen, und Nolan wurde in seinem Maz-Gewand überall mit offenen Armen empfangen. Als es zum Mittag läutete, kehrten die Erben zu Zejabels Erleichterung für eine kurze Verschnaufpause in die Herberge zurück. Das Elend, das aus den verhärmten Gesichtern der Armen und Obdachlosen sprach, hatte sie schwermütig gemacht. Selbst die Tatsache, dass es Niss deutlich besser ging, munterte sie kaum auf.
Nach einem hastig eingenommenen Mahl zogen die Gefährten abermals los. Ihre Suche wurde immer gefährlicher, weil sie manchen Wachtrupps nun schon mehrmals begegnet waren. Irgendwann würden die Goroner sie anhalten, und Zejabel fürchtete, dass die Ausrede, die sich Amanon ausgedacht hatte, die Soldaten nicht täuschen würde. Eigentlich wäre es sinnvoll gewesen, sich aufzuteilen, aber einzeln wären sie ihren Feinden schutzlos ausgeliefert. Aufgeben wollten sie jedoch auf keinen Fall.
Während sie Tempel um Tempel absuchten, von denen manche nur aus einem unter freiem Himmel aufgestellten Altar bestanden, wurden sie Zeugen eines eindrucksvollen Schauspiels. Kurz nach dem vierten Dekant hielten weitere goronische Truppen Einzug in die Stadt. Die Männer kamen von Norden, ihrem schweren Gepäck und den müden Gesichtern nach zu urteilen wohl sogar aus der Hauptstadt des Großen Kaiserreichs. Offenbar hatten sie den weiten Weg im Marschschritt zurückgelegt, um Ith, eine der wichtigsten strategischen Städte der Oberen Königreiche, vor einem Angriff der Lorelier zu schützen.
Mehrmals mussten Zejabel und ihre Gefährten den Weg freigeben, um eine Einheit Krummschwertträger passieren zu lassen. Die bereits in Ith stationierten goronischen Feldmarschälle teilten die Fußsoldaten auf verschiedene Unterkünfte auf, die die Priester des Großen Tempels den Goronern mehr oder minder freiwillig überlassen hatten. Zejabel fragte sich, wie die religiösen Oberhäupter der Heiligen Stadt wohl zu dem drohenden Krieg standen. Zweifellos wollten die Emaz vor allem verhindern, dass ihre Stadt erneut zum Schauplatz einer blutigen Schlacht wurde, und hielten es für klüger, mit den Goronern zusammenzuarbeiten, als sich dem Joch einer Besatzungsmacht zu unterwerfen.
Der Einmarsch der Goroner in die Stadt kam den Erben alles andere als gelegen. Nachdem die Mannen des Kaisers Quartier bezogen hatten, verschärften sie die Kontrollen in Ith. An sämtlichen Brücken wurden Soldaten postiert, und die Anzahl der Wachen an den Stadttoren wurde verdoppelt oder verdreifacht. Amanon spitzte die Ohren, um die Goroner zu belauschen, und erfuhr so den Grund für die Verstärkung der Truppen. Offenbar hatten die Lorelier mittlerweile mit dem Feldzug gegen das Große Kaiserreich begonnen. Ein Teil des lorelischen Heers war vor die Mauern von Partacle gezogen und belagerte die Stadt, und die goronischen Generäle gingen davon aus, dass weitere Vorstöße auf goronisches Gebiet folgen würden.
Obwohl das absehbar gewesen war, machte die Nachricht die Erben noch trübseliger. Die Kunde verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Heiligen Stadt. Pilger wie Einheimische begannen, noch inbrünstiger zu ihren Göttern zu beten und sie je nach Neigung um Frieden, den Sieg, den Tod ihrer Feinde oder den Schutz eines geliebten Menschen zu bitten. Bald versank die Sonne am
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