Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
er klein bei und ging ins Nebenzimmer, um sich umzuziehen. Offenbar konnte er seiner großen Schwester keinen Wunsch abschlagen.
Das war eine von Erynes Eigenschaften, die Keb so bewunderte. Hinter dem Gehabe einer verzogenen Prinzessin, ihrem anfänglichen Hochmut und der Eitelkeit, die sie nur zu gern zur Schau stellte, besaß Eryne eine große innere Stärke. Das war Keb schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen. Schließlich bedurfte es wahrlich einer ungewöhnlichen Charakterfestigkeit, um in ihrer Lage nicht den Verstand zu verlieren. Keb überlegte, wie er reagiert hätte, wenn ihm plötzlich offenbart worden wäre, er sei unsterblich. Er hätte den Gedanken nicht ertragen, Generation um Generation in den Tod gehen zu sehen, ohne ihnen folgen zu können. Der Mensch war einfach nicht dazu geschaffen, ewig zu leben.
Ein Mal, nur ein einziges Mal, war ihm jemand mit einer ähnlichen Willensstärke begegnet. Eine andere Frau. Doch obwohl Keb im Kampf viel Mut bewies und sich gern mit seiner Unerschrockenheit brüstete, hatte er damals aus Feigheit einen großen Fehler begangen.
So etwas würde ihm nicht noch einmal passieren, zumal Eryne vielleicht sein Kind unter dem Herzen trug.
Sobald er an Erynes Schwangerschaft dachte, schwankte Keb zwischen Freude und maßloser Enttäuschung, je nachdem, ob er sich oder Amanon als den Vater des Kindes sah. In seinen schwärzesten Momenten ertappte er sich bei dem Gedanken, Amanon könnte etwas zustoßen. Vielleicht wurde er ja bei einem der Kämpfe, in die sie so oft verwickelt wurden, tödlich verwundet. Doch er vermied es, sich diesen Fantasien hinzugeben, auch wenn die Wirklichkeit schmerzhaft war. Von allen Gefährten war Amanon immer der verlässlichste gewesen, und unter den Kriegern des Ostens hätte sein Ehrgefühl als beispielhaft gegolten. Einem solchen Mann konnte ein wallattischer Prinz keinen gewaltsamen Tod wünschen – zumal Amanon der Einzige war, der die Erben führen konnte.
Auch darauf war Keb eifersüchtig. Die Gefährten hatten Amanon vom ersten Tag an als ihren Anführer akzeptiert, ohne dass er darum kämpfen musste. Auch Keb hatte sich schon oft auf sein Urteil verlassen, und es war ihm nie in den Sinn gekommen, seine Entscheidungen anzuzweifeln – ganz einfach, weil sie vernünftig waren. Genau das war ja das Problem. Amanon war so klug und zuverlässig, dass sich Keb nicht einmal mehr traute, Eryne den Hof zu machen, um die stillschweigende Übereinkunft zwischen ihm und seinem Rivalen nicht zu brechen. Hin und wieder forderte er Amanon zwar mit einer spöttischen Bemerkung heraus, kam sich dabei aber jedes Mal gemein und niederträchtig vor. Ein derart kindisches Verhalten war seines Ranges unwürdig.
Keb wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Nolan im traditionellen Gewand der eurydischen Maz durch die Tür trat. Obwohl er keine sonderliche Ehrfurcht vor Priestern hatte, musste er zugeben, dass Nolan das Seidengewand mit den goldenen Stickereien hervorragend stand. Auf einmal schien der Lorelier eine ganz neue Stärke auszustrahlen. In diesem Moment zweifelte Keb nicht daran, den Erzfeind vor sich zu haben. Wer, wenn nicht ein Priester, konnte den Dämon besiegen?
Trotz ihres Kummers über Caels Verschwinden beglückwünschten die Freunde Nolan mit ehrlicher Freude zu seinem Titel. Vor allem Zejabel bewunderte sein stattliches Aussehen unverhohlen, und selbst Keb ließ sich dazu herab, ein paar freundliche Worte zu sagen, wenn auch nur Eryne zuliebe.
Er schwor sich, irgendwann in den kommenden Dekaden ebenfalls zu Ruhm und Ehren zu gelangen. Er wollte, dass Erynes Augen bei seinem Anblick ebenso stolz leuchteten wie Zejabels in diesem Moment.
Schließlich war er Saats Sohn, auch wenn er seinen Vater verleugnete, und der Hexer hatte Großes bewirkt. Er hatte einen Dämon erschaffen.
Das Blut, das durch seine Adern strömte, war das eines Mannes, der zu ungeheuren Taten fähig war, und Keb war fest entschlossen, Eryne zu beeindrucken.
Vielleicht würde er dann endlich seine einstige Feigheit vergessen.
Amanon stand eigentlich nicht der Sinn danach, den anderen von seinen neuesten Erkenntnissen über die Etheker zu berichten. Auch das kalte Mahl, das sich die Erben auf das Zimmer der Männer hatten bringen lassen, rührte er kaum an. Nachdem er eine Weile auf einem harten Brotkanten herumgekaut hatte, schluckte er ihn am Stück hinunter und schob den Teller von sich. Er konnte an nichts anderes denken als an Cael. Wo mochte sein
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