Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
Horizont, und der zweite Tag ihrer verzweifelten Suche nach Cael neigte sich seinem Ende zu.
Mit Einbruch der Dämmerung wurden die goronischen Soldaten immer argwöhnischer. An zwei aufeinanderfolgenden Brücken fragten die Wachen Amanon, wo er hin wolle und warum er jetzt noch unterwegs sei. Kurz vor der dritten Brücke beschloss er, die Suche für heute aufzugeben. Für die Nacht war eine Ausgangssperre verhängt worden, und so würden sie ohnehin bald in die Herberge zurückkehren müssen.
Schweren Herzens machten sie sich auf den Rückweg. Der Krieg war ausgebrochen und würde die Oberen Königreiche ins Chaos stürzen, und zum ersten Mal hatten die Erben einen der Ihren verloren.
Bei Tisch herrschte noch gedrücktere Stimmung als am Vorabend. Um sich von ihrem Kummer abzulenken, waren die Freunde in den Schankraum der Herberge hinuntergegangen, und Amanon fuhr jedes Mal herum, wenn sich die Tür öffnete und ein Neuankömmling eintrat. Doch Niss war sicher, dass sich Cael an diesem Abend nicht mehr blicken lassen würde, sonst wäre er längst aufgetaucht. Seit zwei Tagen saß sie mit Eryne in ihrem Zimmer fest. Nicht, dass ihr Erynes Gesellschaft unangenehm gewesen wäre, im Gegenteil. Doch sie konnte es kaum erwarten, den anderen alles zu erzählen. Am liebsten wäre sie jetzt gleich damit herausgeplatzt, was sie in Caels Gedanken gelesen hatte – oder besser gesagt, in den Gedanken des Dämons, in den er sich bisweilen verwandelte.
Noch zögerte sie. Vielleicht gab es den Erben neuen Mut, wenn sie ihnen davon berichtete. Andererseits konnte es aber auch das glatte Gegenteil bewirken und ihren Kummer über Caels Verschwinden noch vergrößern. Am besten wartete sie ab, bis Cael wieder auftauchte. Früher oder später würde er zu ihnen zurückkehren, das spürte Niss. Sie war sich fast sicher.
Vor allem
wollte
sie sich sicher sein.
Ihr war es selbst ein Rätsel, warum sie sich nicht vor Cael fürchtete. Natürlich hatte sie das nackte Grauen gepackt, als sich der Dämon auf sie gestürzt, ihr die Hand auf den Mund gepresst und sie bis zur Besinnungslosigkeit gewürgt hatte. Manchmal blitzten diese Bilder erneut vor ihrem Auge auf und jagten ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Sie hatte schon geglaubt, für immer in den Tiefen Traum geschickt zu werden, aber zum Glück war Cael im letzten Moment wieder zur Vernunft gekommen, das hatte Niss in seinen Augen gelesen. Geflohen war er wohl nur aus Verzweiflung und weil er sich zu Tode schämte. Aber selbst wenn er eine Gefahr für sie und ihre Gefährten war, er musste ganz einfach zurückkehren, und diesmal würde sie nicht lockerlassen, bis er sich ihnen anvertraute.
Zumal Cael ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.
An diesem Abend schien keinem ihrer Freunde zum Reden zumute zu sein. In dem Schankraum, in dem sie zu Abend aßen, herrschte tiefe Stille, während von der Straße Geschrei zu ihnen hereindrang. Irgendjemand musste sich einen Ruck geben und ansprechen, was ihnen allen durch den Kopf ging. Als Opfer des Angriffs, der die anderen so erschüttert hatte, sollte sie vielleicht den Anfang machen. Sie legte ihren Suppenlöffel beiseite und wandte sich Amanon zu. »Hast du in den Büchern etwas Neues entdeckt?« Ihre Stimme klang immer noch etwas heiser.
Amanon starrte sie einen Moment lang verblüfft an und sah dann reihum den anderen in die Augen, die seinen Blick neugierig erwiderten. Dann schob er seinen Teller von sich. »Ich bin auf ein Manuskript gestoßen, in dem die Bestattungsriten der Etheker beschrieben werden. Außerdem handelt es davon, wie die erste Pforte entstanden ist und warum später überall auf der Welt Pforten errichtet wurden. Alles fing nämlich hier an.«
Er klopfte mit dem Zeigefinger auf den Tisch, als hätten die alten Etheker ihre Pforte im Schankraum der Herberge errichtet. Niss und die anderen warteten geduldig, bis er weitersprach.
»Die frühen ethekischen Stämme lebten in Höhlen.
Daher wurden wohl auch die meisten Überreste ihrer Zivilisation – abgesehen von den Büchern aus Zuias Bibliothek – in Höhlen und unterirdischen Gängen gefunden. Und die Etheker, die im Gebiet des heutigen Itharien siedelten, lebten in Höhlen, deren Eingänge sich an den Hängen des Blumenbergs befanden.«
»Einige dieser Höhlen gibt es immer noch«, warf Nolan ein. »Manche Sekten nutzen die Grotten als Kultstätten.«
»Jedenfalls ist unklar, wie viele Menschen hier lebten, aber manche Stellen im Text weisen
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