Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
befürchtete Alcide plötzlich, der eine oder andere könnte noch unter dem Einfluss eines Mordlust auslösenden Rauschmittels stehen, das sie jeden Unterschied zwischen Freund und Feind vergessen ließ.
Der Prinz passierte die Wachen unbehelligt, doch seine Eskorte wurde angewiesen, vor der Tür zu warten. Als die Männer wütend mit den K’luriern zu diskutieren begannen, mahnte er sie, dem Befehl zu gehorchen. Emaz Varcus würde sie gewiss nicht in einen Hinterhalt locken, schließlich wusste der dämonische Priester ebenso gut wie seine lorelischen Verbündeten, dass es ihn den Kopf kosten würde, wenn er versagte. Ganz davon abgesehen, dass ihre Unterredung geheim bleiben musste. Das gemeine Volk würde bis zuletzt nicht ahnen, dass es nur ein Spielball in den Händen der Mächtigen war. Auf die Gutgläubigkeit der Menschen war Verlass, das zeigte die Geschichte immer wieder.
Hastig durchquerte Alcide den kleinen Saal, der ihn an eine Gruft erinnerte. Der Ort bereitete ihm Unbehagen. Er hatte nach wie vor ein mulmiges Gefühl, wenn er die Tempel der schwarzen Kulte betrat, die Kerzen auf den Totenschädeln und die mit Blut geschriebenen Runen sah und den beißenden Geruch von Harz und Kräutern einsog. Dabei hatte er genug solcher Stätten besucht, als er und seine Schwarzen Legionäre in Agenors Auftrag die Sekten von Ith bespitzelt hatten. Die Symbole widerten ihn nur noch mehr an, seit er die Wahrheit kannte: Die Dämonen, die hier verehrt wurden, existierten tatsächlich. Sie hörten jede Bitte, die an sie gerichtet wurde, und erfüllten sie im schlimmsten Fall sogar.
Um die Sache möglichst schnell hinter sich zu bringen, beschleunigte Alcide seine Schritte und entdeckte gleich darauf den Anführer der Dunklen Bruderschaft, der vor einem Altar mit einer bizarren Inschrift kniete. Unwillkürlich zuckte der Prinz zurück, als er den nackten Körper eines jungen Mädchens auf der Marmorplatte des Altars liegen sah. Der Dolch, mit dem sie erstochen worden war, steckte ihr noch in der Brust, gleichsam als Banner zu Ehren der Dämonen, denen wohl zum Dank für die Eroberung der Stadt ein Opfer dargebracht worden war. Alcide vergaß, dass er soeben selbst einige wehrlose Menschen erschlagen hatte, und beobachtete mit wachsender Abscheu, wie Emaz Varcus den Dolch herauszog und mit der Klinge über Körper und Haare des toten Mädchens strich, um sie zu säubern. Erst dann war der Priester so gnädig, sich seinem Besucher zuzuwenden.
Alcide machte keinen Hehl aus seiner Verachtung. Der bloße Anblick des Anführers der Dunklen Bruderschaft widerte ihn an. Im Grunde war er nichts weiter als ein buckliger Greis mit kahlem, von Altersflecken übersätem Schädel, dessen knotigen Fingern eine unvermutete Kraft innewohnte. Sein religiöser Wahn und die Rauschmittel, die er seit vielen Jahren einnahm, verliehen seinem Blick und seinem ganzen Gesicht eine Starre, die allem Leben hohnzusprechen schien. Alcide war versucht, in ihm einen der sagenumwobenen Untoten zu sehen, die weder fühlen noch denken können und nicht einmal wissen, dass sie tot sind. Aber nein, Varcus war intelligent, teuflisch intelligent.
»Wie weit seid Ihr mit den Emaz?«, fragte er ohne jeden Gruß.
Der Priester hob den Dolch vors Gesicht, drehte und wendete ihn und betrachtete geistesabwesend die schimmernde Klinge. »Meine Boten bringen mir nichts als gute Nachrichten«, sagte er sinnend. »Noch vor Sonnenaufgang müsste die Sache erledigt sein.«
»Wenn unser Gebieter in die Stadt kommt, will er Eurydis und dieses ganze beweihräucherte Pack nicht mehr hierhaben!«
»Und Eure Soldaten sind zwar brutale Rohlinge, hängen aber an ihren religiösen Überzeugungen«, sagte Varcus höhnisch. »Keine Sorge. Meine Anhänger sind bereit für den letzten großen Feldzug. Innerhalb weniger Dekaden werden sie alle großen Tempel geschleift oder niedergebrannt haben. Dann ist Ith endlich von sämtlichen Schwächlingen befreit, und die Überlebenden werden sich zur Alten Religion bekennen.«
Der Prinz blieb einige Augenblicke lang stumm, während er krampfhaft überlegte, wie er dem schwarzen Priester beikommen könnte. Insgeheim wünschte er, Sombre würde dieses Wahnsinnigen überdrüssig werden und sich seiner entledigen. Doch diese Hoffnung war wohl vergebens. Varcus hatte keinen Augenblick gezögert, sich dem Dämon zu Füßen zu werfen, als Agenor ihn zu ihm gebracht hatte. Ein einziger Beweis seiner übernatürlichen Kräfte hatte ihm genügt
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