Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
abgeben! Aber vermutlich blieben sie in Deckung, bis die Erben ins Freie traten, um ihnen den Fluchtweg abschneiden zu können.
Während er mit großen Schritten den Gang hinaufstapfte, bestätigte sich sein Eindruck, dass draußen bereits der Abend dämmerte. Und als er die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, hörte er zum ersten Mal ein Geräusch, das eine fremde Gegenwart verriet.
Es war so leise, dass er nicht sagen konnte, ob es das Schaben eines Stiefels oder ein kurzes Räuspern gewesen war. Aber es stammte eindeutig nicht von einem seiner Gefährten. Amanon brach der kalte Schweiß aus. Ein Alptraum wurde wahr. Was nun? Sollten sie kehrtmachen und so schnell wie möglich zurück nach Ith fliehen? Den Spieß umdrehen, sich in dem Labyrinth verschanzen und selbst einen Hinterhalt vorbereiten? Oder ins Freie stürzen und sich der Gefahr stellen, wie sie auch aussehen mochte?
Eine Dezille um die andere verstrich, ohne dass sich Amanon zu einer Entscheidung durchringen konnte. Während seine Freunde auf ein Zeichen von ihm warteten, fühlte er sich schier erdrückt von der Last dieser Verantwortung. Die Pforte war so nah … vor seinem geistigen Auge sah er bereits die Schriftzeichen, die im Licht der Abendsonne an der Innenseite des Steinbogens hervortraten … Doch wenige Schritte von ihrem Ziel entfernt lauerte eine tödliche Gefahr!
Amanon zuckte zusammen, als Keb ihm plötzlich auf die Schulter klopfte und ihn aufforderte, zur Seite zu treten. Noch bevor er etwas sagen konnte, schob sich der Wallatte an ihm vorbei und erklomm das letzte Stück zum Ausgang. Zejabel stürmte ebenfalls voran, und so blieb Amanon nichts anderes übrig, als ihnen mit einer Mischung aus Erleichterung und Furcht zu folgen. Sie hatten ihm die Entscheidung abgenommen.
Ihre Schritte hallten so laut von den Wänden wider, dass sich Keb gar nicht mehr bemühte, leise aufzutreten. Da die anderen nicht Zurückbleiben wollten, fielen sie in Laufschritt, bis sie geradezu auf die Tunnelöffnung zurannten. Amanon wurde ganz schwindlig, als die sagenumwobene Pforte vor ihnen auftauchte: ein fünfzehn Schritte hohes Tor aus Stein, dessen Inschrift zu den ältesten Zeugnissen der Menschheit gehörte. Aber ihm blieb keine Zeit, es länger zu betrachten. Kebrees ungestümer Kampfeswille war ansteckend, und so stürzte er zusammen mit seinen Gefährten keuchend und mit pochenden Schläfen unter dem uralten Bogen hindurch, hinaus in das Dämmerlicht eines Tages, den sie unter der Erde verbracht hatten. Im selben Moment griffen die Kreaturen an.
Ihr Großvater war die ganze Zeit dicht neben ihr geblieben, doch dann machte er plötzlich einen Satz zur Seite, um den Angriff der dunklen Gestalt abzuwehren, die auf ihn zusprang. Niss hingegen blieb stocksteif stehen, wie gelähmt vor Entsetzen.
Sie hatten damit gerechnet, in dieser Einöde zwischen Himmel und Erde auf Anhänger der Dunklen Bruderschaft oder Mitglieder der Grauen Legion zu stoßen, und Niss hätte sich auch nicht gewundert, erneut einer Schar Züu gegenüberzustehen. Und tatsächlich erwarteten sie hinter der Pforte eine Handvoll Männer, die offenbar schon seit einigen Tagen hier waren, denn ein Stück entfernt hatten sie ein richtiges Lager aufgeschlagen.
Aber die eigentliche Gefahr ging von den sieben Lemuren aus, deren stechend grüne Augen böse funkelten.
Die dämonenartigen Kreaturen mit dem dicken Fell und dem spitzen Affengebiss kreisten die Erben ein und stießen dabei so durchdringende Schreie aus, dass Niss das Blut in den Adern gefror. Sie fragte sich, wie es den Lemuren gelungen war, so lange still zu bleiben. Wahrscheinlich machten sie ihrer angestauten Wut nun mit ihrem schrillen Kreischen Luft.
Sie waren so groß wie Kebree, und ihre krallenbewehrten Pranken schienen kräftig genug, um einem Erwachsenen Arme und Beine auszureißen. Wie um es zu beweisen, ergingen sie sich in Drohgebärden: Sie trommelten auf die Felsen ein, sprangen mit schier unglaublichen Sätzen hin und her und ließen ihre Muskeln spielen, als wäre es ihr einziger Daseinszweck, schwächere Lebewesen in Stücke zu reißen.
Dennoch hatten die Erben es schon einmal geschafft, einen Lemuren zu töten, bei ihrem Kampf auf den Dächern von Goran. Vier Dekaden lag das nun zurück. Aber da hatten sie zu dritt gegen einen gekämpft und waren nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Diesmal würde es schlimm ausgehen, das war Niss sofort klar. Zwar hatten die Erben ihre Gegner mit ihrem
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