Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
plötzlichen Auftauchen überrumpelt, doch das verzögerte den Angriff nur um wenige Augenblicke. Keb blutete bereits an der Schulter und im Gesicht, während sich Bowbaq mit einem Sprung zur Seite und einem mächtigen Kautenschlag gerade noch rechtzeitig hatte retten können. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Lemuren ihre Einschüchterungsversuche aufgaben und sich wie hungrige Raubtiere auf sie stürzten, um ihnen die Eingeweide herauszureißen.
Die fremden Männer, mochten sie nun Bändiger oder Diener dieser dämonischen Wesen sein, machten keine Anstalten, sich an dem Kampf zu beteiligen. Sie stellten sich lediglich mit gezogenen Waffen unter der ethekischen Pforte auf, um den Erben den Fluchtweg zu versperren. Bei diesem Anblick beschloss Niss in einer Anwandlung von Hass und Grausamkeit, sich nicht zu ergeben, ohne einige dieser Mörder mit in den Tod zu reißen. Der Gedanke an den Tiefen Traum schreckte sie nicht mehr. Wenn ohnehin alles verloren war, konnte sie ebenso gut das Wagnis eingehen, noch einmal in einen fremden Körper zu schlüpfen! Nur wenige Dezillen, nachdem sie durch die Pforte ins Verderben gestürzt waren, konzentrierte sich Niss auf den Tiefen Geist eines der Anhänger der Dunklen Bruderschaft.
Doch sie brachte ihre Rache nicht zu Ende.
Ihr war ein anderer, noch verrückterer Gedanke gekommen.
Ohne lange zu überlegen, wandte sie sich dem Dämon zu, der mit fletschenden Zähnen auf ihren Großvater losging – und drang mit ihrem Geist in den abstoßenden Körper ein.
Es war ein ekelerregendes Gefühl, als wäre sie kopfüber in eine Totengrube gefallen, zwischen Würmer und verwesendes Fleisch. Niss wurde so übel, dass sie beinahe aufgegeben hätte, aber mit dem Mut der Verzweiflung wühlte sie sich weiter, bis sie den geheimnisvollen Ort erreichte, an dem sich Leib und Seele verbinden. Hier versuchte sie zu bleiben.
Der Widerstand des Dämons erstaunte und erschreckte sie. Einen so starken Geist hatte sie noch nie erlebt! Sie wollte schon fast vor der Macht des Ungeheuers aus dem Kam kapitulieren, da fiel ihr ein, dass sie womöglich für immer in diesem Körper gefangen bleiben würde, wenn sie sich jetzt geschlagen gab. Also nahm sie all ihre geistige Kraft zusammen und schöpfte aus dem Wissen, das sie im Tiefen Traum über Leben und Tod gewonnen hatte. Nachdem der Lemur Stück für Stück nachgegeben hatte, sah sie endlich durch seine Augen nach draußen und musste feststellen, dass der Kampf in vollem Gange war.
Wenige Dezillen später hatte sie den Körper des Dämons endgültig unter Kontrolle. Die Stärke und Zähigkeit, über die sie nun verfügte, ließen sie schwindeln. Diesmal hatte sie ihre Gabe nicht auf ein gewöhnliches Tier oder einen anderen Menschen angewandt: Eine Kreatur, die mit den unsterblichen Wesen aus dem Jal verwandt war, hatte sich ihrem Geist gebeugt! Sie konnte kaum fassen, dass ihr dieses Wunder gelungen war, obwohl sie es sich aus tiefstem Herzen gewünscht hatte.
Versuchsweise sprang sie ein paarmal auf und ab, um sich an den fremden Körper zu gewöhnen, und begann dann, ihre Krallen und Zähne in die Leiber der anderen Ungeheuer zu bohren. Plötzlich konnte sie nachempfinden, was Cael in seinen schwärzesten Momenten erlebte.
Als Niss wie eine leblose Puppe zu Boden sank, blieb Bowbaq fast das Herz stehen.
Nein, nicht schon wieder!,
dachte er verzweifelt. Ihm blieb keine Zeit mehr, zu ihr zu eilen, denn in diesem Augenblick gingen die Lemuren endgültig zum Angriff über.
Das Einzige, was den Erben zugutekam, war ihr Zusammenhalt. Sie hatten so häufig Seite an Seite gekämpft, dass sie gelernt hatten, einander zu beschützen und ihre Verteidigung blitzschnell aufzubauen. Auch diesmal bezogen Bowbaq und Kebree sofort außen Position, während sich Amanon, Zejabel und Nolan in eine Reihe vor Niss und Eryne stellten. Alle hatten längst ihre Bündel zur Seite geworfen, und Zejabels erster Pfeil bohrte sich in den Hals des Ungeheuers, das Keb verletzt hatte. Der Schmerz schien den Lemuren allerdings ebenso wenig einzuschüchtern wie die Klingen, die vor ihm und seinen Artgenossen aufblitzten. Zwei der Bestien rissen die Mäuler auf, streckten ihre Pranken nach ihnen aus und sprangen auf sie los.
Bowbaq ließ seine Kaute auf den ersten niedersausen, aber der Lemur schaffte es dennoch, ihm die Krallen in den Oberkörper zu bohren, als wollte er ihm das Herz herausreißen. Bowbaq heulte vor Schmerz auf und hämmerte weiter auf das
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