Die Krieger der Königin: Falkenherz
Marmorboden fest, während sein Meister die Befehle wiederholte. Shalatar achtete sorgfältig darauf, deutlich zu sprechen, so dass der Krieger alles verstand. Ril hörte ihn, aber die Litanei hatte keinerlei Wirkung auf ihn. Leons Stimme hallte lauter in seinem Kopf wider als alles, was Shalatar zu sagen versuchte. Ich bin dein Meister. Diese vier Worte hielten Ril sicher und unberührt von allem, was andere wollten.
Freiheit. Er hatte sich noch nie so frei gefühlt, hatte nie geglaubt, dass er Freiheit ausgerechnet in einer so vollkommenen Bindung finden würde. Aber genau das war geschehen. Er hatte diesmal mit offenen Augen seinen Meister gewählt. Nicht wie damals, als er in diese Welt gekommen war. Er hatte sich vor sechs Jahren entschieden, als er die Chance gehabt hatte, Leon an einem Strick baumeln zu sehen, und sich stattdessen entschlossen, ihn zu retten, obwohl er wusste, dass die Verbindung zwischen ihnen niemals gebrochen werden konnte. Abgesehen von seiner Königin, kam Leon als Meister immer an erster Stelle. Leon war alles.
Und jetzt, mehr als jemals zuvor, hatte Leon die vollständige Kontrolle. Er hatte versprochen, Ril freizulassen, sobald sie entkommen waren, aber im Moment wollte Ril das gar nicht. Es war ein gutes Gefühl, sich unterzuordnen, bequem und irgendwie befreiend. Er musste sich keine Sorgen mehr machen oder Angst haben, weil es jemanden gab, der alle Entscheidungen für ihn traf. Wie konnte er das wieder aufgeben? Lizzy war eine freundliche Seele. Die Königin ebenfalls. Leon dagegen regierte absolut, wenn er musste, und es gab keinen Sylphen, der darüber nicht frohlockte, egal, ob der Meister ein Mann war oder nicht. Was spielte es für eine Rolle, dass Leon nicht so für Ril da sein konnte, wie er es körperlich wollte? Die Liebe, die er für Lizzy fühlte, war unterdrückt. Es gab sie, aber sie war nicht wichtig. Er hatte sowieso den größten Teil seiner Existenz enthaltsam gelebt. Es war wichtiger, Lizzy für seinen geliebten Meister zu befreien und sie beide zurück ins Tal zu bringen. Tief in ihm bäumte sich etwas auf und sagte, dass er Lizzy liebte, dass er selbst sie liebte … aber es spielte keine Rolle. Leon und Lizzy liebten ihn, und sie hatten ihm größere Freiheit gegeben, als er ohne sie je kennengelernt hätte. Die zwei Krieger, die ihn festhielten, starrten ihn erstaunt an. Sie konnten fühlen, dass Shalatar keinerlei Einfluss auf ihn hatte, ob Meister oder nicht – dass etwas Stärkeres in ihm war. Sie fühlten es und waren neidisch.
Er hatte sechs Jahre lang seine eigenen Entscheidungen getroffen und seinen eigenen Weg gefunden. Er hatte die Jahre der Freiheit trotzdem damit verbracht, Leon zu folgen und so eng wie immer mit ihm zusammenzuarbeiten. Eigentlich sogar enger: Leon hatte ihn in diesen Jahren wie einen Gleichgestellten behandelt. Warum hatte Ril je Angst gehabt? Er hatte seinen Platz und seine Familie bei Lizzy und Leon. Liebe und eine Aufgabe. Er brauchte nicht mehr. Und nichts und niemand konnte ihm das nehmen.
Shalatar beendete die Aufzählung der Regeln und wischte sich über die Stirn. Rashala hatte sich Sorgen gemacht, aber anscheinend unnötigerweise. Er arbeitete gewöhnlich nicht direkt mit Kriegern, aber alle Sylphen waren letztendlich gleich. Der Krieger vor ihm befand sich in vollkommener Unterwerfung. Sie hatten ihn zu nichts zwingen müssen.
Er nickte den Wärterinnen zu, welche die drei Krieger gebracht hatten. Die zwei anderen Kriegssylphen waren nur für den Fall anwesend, dass Sieben-Null-Drei tatsächlich kompromittiert worden war. Shalatar hatte gehört, dass sein Meister immer noch dort draußen war. Das erschien ihm unmöglich – der Mann musste tot sein –, aber sie konnten kein Risiko eingehen.
Eine Wärterin trat vor und drängte die drei Krieger, aufzustehen. Sie folgten ihr brav zu den Pferchen der Futtersklaven. Shalatar wusch sich das Gesicht und kehrte zu seinen Pflichten zurück. Schon nach kurzer Zeit hatte er ein Wesen, das ihm alles hätte bedeuten sollte, einfach vergessen.
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23
T rotz der glühenden Hitze saß Justin in einer der Steinhütten, in der die Ausgestoßenen lebten und wagte es nicht, vor die Tür zu gehen, wo man ihn hätte sehen können. Nicht, solange die Krieger die Stadt durchkämmten. Die Sylphen hatten die Mauern noch nie übertreten, aber alle hatten Angst, dass sie es jetzt tun würden.
Er saß halbnackt in einer Ecke und tastete in seinem Mund vorsichtig nach den
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