Die Krieger der Königin: Falkenherz
anderes gewesen war. Hatte jemand diesen Anschlag schon einmal versucht, und das arme Wesen hatte sich deswegen aufgeregt? Hatte er versucht, sie zu warnen?
Sie fluchte leise, verließ die Box und wies eine der Wärterinnen an, ihren Bruder zu holen. Er war immer noch der oberste Befehlsgeber für Sieben-Null-Drei. Sie würde den Krieger die Regeln wiederholen lassen – alle. Sie wollte kein Risiko mehr eingehen. Danach würde sie ihn in den Harem zurückbringen. So wie er sich immer wieder umsah, als rechne er ständig mit einem Angriff, war er für die Arena nicht zu gebrauchen. Glücklicherweise sah der Kaiser heute nicht zu, und sein Neffe bevorzugte Drei-Neunundneunzig. Sie sorgte dafür, dass dieser Krieger stattdessen für die Kämpfe eingesetzt wurde.
Dann würde sie sich um Zweihundert kümmern müssen. Das hatte sie überrascht. Er war immer einer der entspanntesten Krieger gewesen und hatte keine Tendenz gezeigt, eine besondere Frau vorzuziehen, aber jetzt war er hysterisch, weil diese eine Frau entfernt worden war. Sie hatte sich die Aufzeichnungen angesehen, und Zweihundert gab sich mit einem Dutzend verschiedener Konkubinen ab, derselben Anzahl wie andere Krieger.
Rashala erstarrte, weil ihre Gedanken plötzlich einen Sprung machten. Es gab ein Dutzend Frauen, die nach den Aufzeichnungen mit Zweihundert schliefen. Sie griff in ihre Tasche und zog ein Blatt mit Notizen über Sieben-Null-Drei heraus. Seine bevorzugten Bettgenossinnen waren ebenfalls aufgezählt, inklusive der Frau, die man hierhergebracht hatte und die jetzt gestohlen worden war. Diejenige, über die Zweihundert sich so aufgeregt hatte.
Sie hatte Zweihunderts Akte nicht bei sich, aber ihr Gedächtnis war hervorragend. Zweihundert schlief nicht nur mit derselben Anzahl von Frauen wie Sieben-Null-Drei. Er schlief mit
genau
denselben Frauen.
Rashala fluchte leise, drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Ställe. Sie würde alle Akten durchsehen müssen, um sicherzugehen. Aber wenn sie recht hatte … So viel Intelligenz hatte sie den Kriegssylphen nicht zugetraut, genauso wenig wie den Frauen. Aber das konnte man ändern. Sogar sehr einfach.
Melorta ging eilig den Gang entlang und bog in die Wachstube vor dem Harem ab. Mehrere Wärterinnen sahen auf, kehrten aber sofort zu ihren Pflichten zurück. Bei ihrer Laune hätte sie ihnen den Kopf abgerissen, hätten sie es gewagt, etwas zu sagen. Drei Futtersklaven und eine Konkubine verschwunden, und das in ihrem Verantwortungsbereich! Sie konnte deswegen wieder als Konkubine im Harem landen, und wenn das geschah, war sie so gut wie tot.
Diese Sklaven waren direkt unter der Nase eines Kriegssylphen gestohlen worden, dem man eigens befohlen hatte, ihre Flucht zu verhindern. Melorta hatte darüber nachgedacht, als sie sich aufgemacht hatte, Rashala Bericht zu erstatten, und Rashala war zu der gleichen Überzeugung gekommen: Der ursprüngliche Meister des Kriegers musste es gewesen sein. Dass der Mann noch am Leben war, war ein schrecklicher Gedanke, aber es gab keine andere Möglichkeit.
Melorta schloss die Eingangstür zum Harem auf, ließ sie aufschwingen und schritt mit ihrer Gerte in der Hand hinein. Sie konnte den Harem nicht über die Meister befragen. Sie hatte schon von Kriegssylphen gehört, denen man erlaubt hatte zu sprechen, aber alles, was sie von sich gaben, war reines Gift. Man konnte nicht mit ihnen reden. Aber mit Konkubinen schon. Und Melorta wollte ein Verhör.
Das Mädchen war mit ihren gelben Haaren leicht zu entdecken. Sie stand bei einer Gruppe von anderen Frauen, und alle kuschten angsterfüllt. Sie waren ihr zahlenmäßig weit überlegen, aber Melorta hatte keine Angst. Die meisten Konkubinen waren feige.
Das fremde Mädchen schien allerdings eine Ausnahme zu sein. Melorta ging zu ihm und warf den Begleiterinnen des Mädchens einen bösen Blick zu. Sofort flohen sie. Das Mädchen erwiderte den Blick und ballte die Hände zu Fäusten. Melorta war wenig beeindruckt.
»Komm mit«, sagte Melorta und packte es am Arm.
»Nein!«, schrie das Mädchen und versuchte, sich zu befreien.
Melorta schlug es mit der Reitgerte auf den Kopf. Das beruhigte das Flittchen so weit, dass es sich durch den Harem und durch die Wachstube hindurch in ein kleineres, abgetrenntes Zimmer zerren ließ. Normalerweise wurde es von Wächterinnen genutzt, um während ihrer langen Schichten zu schlafen, aber Melorta konnte es auch zweckentfremden.
Sie schleuderte das Mädchen in
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