Die Krieger der Königin: Falkenherz
schloss die Augen. Seine Lizzy, seine wunderbare Lizzy! Er hatte sie geliebt, hatte sich gewünscht, sie zu seiner Königin zu machen, hatte sogar um ihre Liebe gebettelt. Und als sie in ihrer Unschuld zugestimmt hatte, hatte er ihr Muster in sich aufgenommen, unter dem von Leon und von Solie. Er hatte es seit Jahren ignoriert, weil er wusste, dass er nicht mehr gut genug für sie war und dass sie in einer Stadt lebte, in der sie von
gesunden
Kriegern umgeben war. Sie würden sie beschützen, hatte er sich selbst gesagt, sie hätten für sie getötet. Sie konnte ihren eigenen Lebensweg finden, heiraten, Kinder bekommen ihn vergessen.
Ril konzentrierte sich auf dieses Jahre alte Muster und ließ sich davon erfüllen. Dann, während alle Menschen ihn beobachteten, hob er den Arm und zeigte nach vorn, drehte sich langsam, bis sein Finger immer weiter nach Süden wie, über das Ende des Tals hinaus.
»Dort«, sagte er schließlich. »sie ist dort.«
Hinter ihm hätte Leons Schock ihn fast aus seinen tranceähnlichen Zustand gerissen. »Was meinst du damit?«
»Sie ist dort«, hauchte Ril. »Ich kann ihr folgen.«
Blindwütig stopfte Leon Kleidung in eine Reisetasche. Ihm war es egal, ob sie verknitterte oder zerriss. Kleidung, Geld … Er brauchte Geld, um ein Schiff bezahlen und auf der anderen Seite des Meeres Pferde kaufen zu können. Einen Kulturbeutel. Würde er den brauchen? Natürlich brauchte er das alles, was ging bloß in seinem Kopf vor? Kleidung für Lizzy? Für einen Moment musste er innehalten, um eine Hand über seine tränenden Augen zu legen. Er hatte gedacht, sie wäre verloren, aber jetzt konnte Ril sie spüren. Wie, zur Hölle, konnte er sie spüren? Leon war es egal. Sie würden die Entführer jagen und umbringen und sein Mädchen zurückholen. Nur er, ein siebenundvierzig Jahre alter Mann, der in kalten Nächten sein Alter zu spüren begann, und ein verkrüppelter Krieger. Kein anderer Krieger würde mit ihnen gehen und seinen wertvollen Meister riskieren.
Er schluchzte auf. Dann stopfte er weitere Ausrüstungsgegenstände in seine Tasche. Ril verwandelte sich im Nebenzimmer. Mace hatte gesagt, dass er sie nach Para Dubh bringen würde, und Solie hatte ihnen so viel Geld gegeben, wie ihr möglich war, inklusive mehrerer Edelsteine, die in seinem ausgehöhlten Stiefelabsatz verborgen waren. Lizzy würde wahrscheinlich verkauft werden. Vielleicht konnte er sie zurückkaufen.
Sie wollten sein kleines Mädchen verkaufen? Wieder musste Leon die Hände vors Gesicht legen.
Er hörte seinen Namen und als er aufsah entdeckte er seine Frau in der Tür. Sie hatte ihn nie deswegen beschimpft, weil er regelmäßig seine Familie im Stich ließ, um auf seine verdammten Missionen zu gehen, oder weil er mehr Zeit mit Ril verbrachte als mit ihr. Diesmal musste sie darauf brennen, ihn endlich aufbrechen zu sehen, aber stattdessen trat sie vor ihn und schlang die Arme um ihn.
»Achte darauf, dass du wieder nach Hause kommst«, flüsterte sie. »Ihr alle. Verstanden? Komm nicht ohne sie zurück!«
»Werde ich nicht«, versprach Leon und umarmte sie fest. »Ich werde sie zurückbringen.«
»Und dann lassen wir sie niemals wieder aus den Augen«, fügte Betha scharf hinzu.
Leon fing an zu weinen. Er konnte nichts dagegen tun. Auch seine Frau weinte, und ihre Fingernägel gruben sich in seinen Rücken, während sie ihn im Arm hielt.
»Papa!«, rief Cara. »Papa, komm hier runter!«
Leon löste sich von Betha und wischte sich die Augen ab. »Ich gehe besser runter«, sagte er, und ihm gelang ein kurzes Lächeln. Seine Frau erwiderte das Lächeln, auch in ihren Augen standen Tränen.
»Mach das. Ich packe für dich fertig, du dummer Mann.« Sie drehte ihn zur Tür und klopfte ihm auf den Hintern, um ihn auf den Weg zu schicken.
Leon ging in den Flur und dann die Treppe nach unten zur vorderen Veranda. Draußen saß Mace mit der Witwe Blackwell, seiner Meisterin, auf der Schaukel. Leon hatte keine Ahnung, wie die Frau mit Vornamen hieß, aber sie sah ihn voller Mitgefühl an. Er wusste, dass sie mit ihnen gehen würde, aber sie war die Aufseherin der Schlafsäle von den Waisen und Straßenkindern in der Stadt. Sie war die Letzte, die gehen konnte – was bedeutete, dass auch Mace nicht mitkommen konnte. Nicht weiter als Para Dubh.
Für einen Moment erwiderte er ihren Blick, bevor er den Blick nach vorn richtete. Die meisten Nachbarn waren noch da. Sie standen in Gruppen herum und unterhielten sich, und
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