Die Krieger der Königin: Falkenherz
müssen, der mit einem Blick dafür sorgen konnte, dass er sich fast in die Hosen machte, und er wünschte sich, dass Ril einfach verschwände. Er hatte sogar ein paar Mal davon geträumt, den Krieger zum Duell herauszufordern und ihn zu besiegen, während Lizzy voller Bewunderung zusah. Bei den meisten Kriegern wäre der bloße Versuch schon Selbstmord, aber Ril war ein Krüppel. Ein guter Kämpfer konnte ihn besiegen, was Leon damit bewiesen hatte, dass er ihm die Beine unter dem Körper weggeschlagen hatte. Justin hatte sich auf die Zunge beißen müssen, um nicht laut zu jubeln.
Leon musterte ihn eindringlich, und Justin errötete erneut und starrte auf seinen Teller. Er wollte, dass dieser Mann sein Schwiegervater wurde. Es wäre eine Kränkung für Leon, sollte er erfahren, dass Justin seinen Krieger demütigen wollte.
Der ältere Mann sah erst ihn an, dann drehte er sich zu Ril um, der damit fertig war, seinen Teller zu leeren, und an der Reling stand und zum Horizont schaute. Dann wandte er sich wieder an Justin.
»Lass ihn in Ruhe.«
»Sir?«
»Lass ihn einfach in Ruhe.« Leon leerte sein Weinglas. »Mach nicht den Fehler zu denken, er wäre schwach.«
Justin errötete schon wieder. »Ich würde niemals …«
»Das hast du. Ich merke es. Und er merkt es auch. Du sagst, du willst meine Tochter heiraten? Bevor ich euch meinen Segen gebe, solltest du mir beweisen, dass du Manns genug für sie bist.« Damit stand Leon auf und ging mit seinem leeren Teller und seinem Glas davon.
Ril drehte sich zu Justin um, aber nach einer Weile folgte er seinem Meister. Als er am Tisch vorbeikam, schaute er auf Justin hinunter und verzog die Lippen zu einem lautlosen Knurren. Justins Wangen brannten. Er würde tun, was Leon gesagt hatte. Er würde sich bemühen. Aber das konnte ihn nicht davon abhalten, den Krieger mindestens so sehr zu hassen, wie er ihn fürchtete.
Leon hatte sowohl Justin als auch Ril als seine Söhne in die Passagierliste eingetragen. Justin war jung genug und Ril sah auf jeden Fall jugendlich genug aus, auch wenn er schon Jahrhunderte alt war. Sie ähnelten sich nicht im Geringsten, aber zumindest hatte Ril Leons sandblondes Haar, und Justin besaß eine ähnliche Nase. Trotzdem ging Leon zweimal am Tag mit Ril in ihren Raum. Er fragte sich, ob die Passagiere die Lüge wohl glaubten und was ihrer Meinung nach wirklich los war. Er bezweifelte, dass sie die Wahrheit auch nur ahnten.
Er stand in der Kabine, mit dem Rücken an die Tür gelehnt. Ril stand ihm gegenüber, einen Arm gegen das Holz hinter Leons Kopf gestützt, die andere Hand sanft am Hals seines Meisters. Der Krieger berührte ihn nicht oft. Wenn er es vermeiden konnte, berührte er niemanden außer Leons Töchter. Aber im Moment war seine Hand warm und entspannt. Seine Augen waren halb geschlossen und nicht fokussiert. Er atmete langsam und nährte sich an der Energie, die Leon als natürliches Nebenprodukt seines Lebens erzeugte. Leon hatte ihn niemals danach gefragt, aber Ril hatte einmal bemerkt, dass Leons Energie schmeckte wie warmer Nebel, der von der Haut seines Meisters aufstieg. Nach einundzwanzig Jahren konnte Leon den Sog spüren. Die meisten Meister konnten das nicht – nicht einmal Solie –, aber Leon war immer fasziniert gewesen von der Intimität, die er mit Ril teilte. Er sah dies als Beweis dafür, dass es immer ein Wesen auf der Welt geben würde, das ihn brauchte.
Leon blieb stehen und entspannte sich. Rils Berührung war kaum spürbar, aber dennoch vorhanden. Ril konnte nur seine Energie und die von Solie verdauen oder aufnehmen, oder wie auch immer man es nennen wollte. Der Rest der Welt war giftig für ihn, außer, er nahm das Muster eines anderen Menschen in sich auf. Deswegen hatte Leon Ril vor ihrem Aufbruch aus Sylphental vorgeschlagen, für alle Fälle auch Justins Muster in sich aufzunehmen. Mace hätte es ohne Probleme zusammen mit der Königin arrangieren können. Selbst Priester konnten das. Sollte Leon sterben – und er schloss diese Möglichkeit nicht aus –, würde Ril schnell verhungern. Ril hatte nur geknurrt. Leon wusste, dass es nicht nur die Energie war. So leicht die Verbindung auch geschlossen wurde, sie war dauerhaft, und Sylphen gehorchten den Meistern, an die ihre Muster gebunden waren. Sie hatten keine Wahl. Ril verabscheute Justin, und dem Blick nach zu schließen, den der Junge ihm auf dem Deck zugeworfen hatte, wäre es ein Fehler gewesen, ihm die Macht zu verleihen, dem
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