Die Krieger der Königin: Schattenmacht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
getan, weil sie es nicht für nötig hielt. Solange eine Sylphe in der Nähe war, konnte sie automatisch die Gefühle jedes Menschen lesen, und da Shore am Tisch saß, konnte sie auch Salas Ruhe fühlen. Trotzdem suchte sie nach tiefergehenden Gefühlen. Ruhige Gelassenheit. Wunderbar, klar, ungerührt. Solie musste ein Schaudern unterdrücken. Niemand war so gelassen. Es fühlte sich falsch an.
Das war dumm! Mit Sala war alles in Ordnung. Die Sylphen vertrauten ihr. Sie hatte sogar einen eigenen Krieger. Niemand konnte eine Sylphe an der Nase herumführen.
Doch Leon war es in Meridal gelungen, als er seine Tochter gerettet hatte.
Solie stellte ihre Teetasse ab, weil sie den Tee plötzlich nicht mehr wollte, nichts wollte, was Sala angefasst hatte. Sala zeigte keinerlei Reaktion. Die Königin legte eine Hand auf den Bauch und stand auf. Die Frauen sahen sie an.
»Es tut mir leid«, log Solie, »aber ich fühle mich nicht gut. Ich glaube, ich werde mich ein bisschen hinlegen.« Die anderen Frauen standen auf und fragten besorgt nach, aber Solie entschuldigte sich nur. Alles in ihr schrie nach Flucht. Nach der Anspannung im Garten, von der sie sich sicher war, dass sie nur in ihrem Kopf existierte, war die Ruhe in ihrem Schlafzimmer einfach wundervoll. Hedu schob die Tür auf und kam in den Raum.
»Geht es dir gut? Lizzy hat mich gefunden und mir erzählt, dass du dich nicht wohl fühlst.«
Solie lächelte und nahm seine Hand. »Mir geht’s gut. Ich bin nur müde.« Für einen Moment dachte sie darüber nach, ihn zu bitten, Sala zu verfolgen, aber dann ließ sie es sein. Das waren die Stimmungsschwankungen einer Schwangeren. Sie mochte die Frau einfach nicht. So etwas gab es. »Leg dich zu mir.«
Hedu grinste und kuschelte sich an ihren Rücken. Solie seufzte, weil sie glücklich war, seine Nähe zu spüren. Minuten später war sie eingeschlafen.
Leon hatte seine Tochter trotz ihrer Proteste weggeschickt. Er wollte nicht, dass sie auf dumme Gedanken kam, und wenn er recht hatte, wollte er nicht, dass sie in Gefahr geriet.
Ril, der vor dem Schreibtisch saß, beäugte ihn misstrauisch. »Du willst mir einen Befehl erteilen?«
Leon nickte und stützte sich auf die Schreibunterlage. »Ich muss, Ril, wenn ich mir sicher sein will. Aber ich will vorher deine Erlaubnis dazu haben.«
Ril runzelte die Stirn und zuckte schließlich unangenehm berührt mit den Schultern. »Schön, was auch immer. Tu es einfach.«
Leon richtete sich auf. Es war nicht so, als hätte Ril etwas gegen Befehle. Es war eher so, dass er sie in gewisser Weise zu sehr mochte. In Meridal hatte Leon absolute Kontrolle über den Krieger gewinnen müssen, um ihn vor den Befehlen seiner anderen Meister zu schützen. Ril hatte sich ihm vollkommen unterworfen, und Leon hatte deutlich die Zufriedenheit und das Glück gespürt, das diese Unterwerfung in Ril auslöste. Auch für Leon war es ein gutes Gefühl gewesen. Auf lange Sicht gesehen war es allerdings für keinen von ihnen beiden gesund, besonders nicht, wenn Ril ein unabhängiges, freies Individuum sein sollte.
Also hatte Leon die Kontrolle wieder aufgegeben, sobald sie alle in Sicherheit waren, und somit unabsichtlich auch Justin die Möglichkeit eröffnet, Ril zu missbrauchen. Trotzdem war es nötig gewesen. Sogar so verkrüppelt wie er war, würde Ril wahrscheinlich mehrere Generationen von Menschen überleben. Er brauchte die Fähigkeit, für sich selbst zu denken.
Um das zu bestätigten, was Leon befürchtete, musste er wieder die Kontrolle übernehmen.
»Ich will, dass du ans andere Ende der Stadt gehst«, befahl Leon und achtete sorgfältig darauf, seine Stimme klar, deutlich und fordernd klingen zu lassen. Rils Pupillen vergrößerten sich ein wenig, wie sie es immer taten, wenn er einen Befehl annahm. »Ich will, dass du die Gestalt wechselst. Es spielt keine Rolle, in was du dich verwandelst, aber ich möchte, dass du versuchst, diese Verwandlung vor mir zu verbergen. Ich will sie nicht spüren. Hast du verstanden?«
»Ja«, antwortete Ril.
»Dann geh«, befahl Leon, und Ril verließ den Raum. Es würde Ril eine gewisse Zeit kosten, die Stadt zu durchqueren. Leon blieb eine Weile im Eingangsbereich stehen, wo Rils Schreibtisch statt, dann zog er sich in sein eigenes Arbeitszimmer zurück. Doch er war ruhelos, also durchquerte er den Thronsaal und betrat den Hauptflur, der an die Oberfläche und in den Rest des Stockes führte. Er ignorierte die breite Treppe, die für Botschafter
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