Die Kriegerin der Kelten
sich weißliche Verkrustungen abgelagert hatten, die wohl von irgendeiner Salbe oder Paste stammten, die sie angerührt hatte. »Ich denke«, erklärte Airmid dann, »du lebst jetzt in genau dem Bewusstsein, in dem auch alle anderen Menschen vor dir gelebt haben. Du lebst in dem Bewusstsein deiner eigenen Sterblichkeit. Wirst du trotzdem kämpfen können und dabei auch noch am Leben bleiben?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich kann es immerhin versuchen.«
Und aus dieser Unsicherheit, dieser Unwägbarkeit erwuchs plötzlich ein Frieden, wie Breaca ihn schon lange nicht mehr gespürt hatte. Es war ein ruhiger Tag, die Frühlingssonne strahlte auf sie beide hinab, und noch war kein offener Krieg über das Land hereingebrochen. Sicherlich, das Zusammensein von Airmid und Breaca fühlte sich nicht mehr so an wie früher, doch immerhin saßen beziehungsweise lagen sie hier zusammen am Ufer des Flusses und fanden in der anderen kurzzeitig Trost und Heilung für ihren Kummer.
Als der Tag sich der Dämmerung entgegenneigte, machte Breaca sich auf die Suche nach ihrem Bruder.
Sie folgte dem Rauch, der träge durch das Tal zog, dem Duft nach Essen, das über den Feuerstellen zubereitet wurde, dem Lärmen der Scheinkämpfe, die fast schon klangen wie ein echtes Gefecht. In der Mitte jener Lichtung, auf der der Pferdemarkt stattfand, fand sie Valerius endlich. Mehrere Dutzend Jugendliche hatten sich um ihn geschart, vielleicht waren es sogar Hunderte, allesamt bewaffnet mit Schwertern, Schilden und Speeren. Doch auch wenn Valerius’ Schüler zahlreich waren, so waren es doch merklich weniger als noch vor einiger Zeit, als er mit dem Unterricht gerade erst begonnen hatte. Täglich erfuhren mehr von ihnen, wer er war, wer er gewesen war, und verließen ihn, um stattdessen lieber mit Cunomar oder Ardacos zu üben oder irgendeinem der anderen führenden Speerkämpfer, die schließlich allesamt auch schon eine gewisse Erfahrung im Krieg gesammelt hatten.
Jene, die noch nichts von Valerius’ Vergangenheit gehört hatten oder aber den Gleichmut besaßen, darüber hinwegzusehen, standen sich nun in ordentlichen Reihen gegenüber, Schwert gegen Schwert gerichtet, Speer gegen Schwert und Schwert gegen Speer, und schlugen mit bereits leicht erlahmendem Enthusiasmus aufeinander ein. Valerius wanderte derweil zwischen ihnen hindurch, während er beobachtete und ermutigte und sich bemühte, seine Schüler vor allem vor allzu ernsten Verletzungen zu bewahren. Als er Breaca entdeckte, übertrug er seine Verantwortung Cygfa und trat an den Rand des Übungsplatzes.
Genau wie Airmid schien er Breaca mit seinem Blick geradezu durchbohren zu wollen. »Dann hast du also Neuigkeiten von Graine gehört?«, lautete gleich der erste Satz, den er an sie richtete. Breaca war sich nicht sicher, ob sie dankbar dafür sein sollte, dass er sie so leicht zu durchschauen vermochte, oder ob sie nicht vielmehr enttäuscht sein müsste, wie wenig sie ihre Emotionen doch vor ihrer Umwelt verstecken konnte.
»Dubornos hat uns über einen Salzhändler eine kurze Nachricht zukommen lassen. Sie lebt und ist in Sicherheit.« Obwohl schon einige Stunden verstrichen waren, seit Breaca die frohe Botschaft von Airmid gehört hatte, konnte sie es noch immer nicht so richtig fassen. Unsicher schaute sie an ihrem Bruder vorbei und zu jener Stelle hinüber, wo eine halbe Reihe junger Krieger auf Cygfas Befehl hin ein wenig zurückgetreten war. »Und, sind sie jetzt endlich kampffest?«, fragte Breaca Valerius.
Er lachte kurz, doch schallend auf und schüttelte den Kopf. »Eine Belagerung könnten sie vielleicht noch irgendwie bewerkstelligen. Das heißt, sofern wir ihnen endlich beibringen könnten, unsere Befehle zu befolgen. Aber ob sie sich auch in einem Angriff auf die Veteranen der Zwanzigsten Legion bewähren würden, ob sie sich durch die Straßen von Camulodunum kämpfen könnten? Nein, sie würden keinen Schritt weit kommen, sondern auf der Stelle niedergemetzelt werden. Aber sie schlagen sich immerhin schon besser als gestern, und morgen wiederum werden sie sich besser anstellen als heute. Das ist alles, worauf wir uns im Augenblick stützen können. Obwohl... da ist noch eine neue Schwierigkeit aufgetaucht.« Er verzog das Gesicht zu einer kummervollem Grimasse. »Die meisten von ihnen sind in den Jahren nach der Invasion auf die Welt gekommen, das heißt, sie haben fast alle den gleichen Namen. Ich rufe einmal diesen Namen, und es treten gleich fünfzig
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