Die Kriegerin der Kelten
Endlich erreichten Breaca und Valerius ein mächtiges, ganz aus Ziegelsteinen erbautes Gebäude, das seltsam fehl am Platze schien zwischen den Hütten aus Flechtwerk und den verputzten Katen. Als sie das Gebäude betrat, wäre Breaca auch schon fast über ihren Bruder gefallen, der sich knapp hinter der Türschwelle auf den Boden gekauert hatte.
»Kannst du mir helfen, die hier anzuheben?«, fragte er sie, während er von unten zu ihr aufschaute. Sogleich kniete auch Breaca sich nieder und bemühte sich, seiner Aufforderung nachzukommen.
Es waren zwei schwere Ringe aus Eisen in den Boden eingelassen worden, die nun unter einer dicken Schicht aus Staub und altem Stroh verborgen lagen. Sowohl Breaca als auch Valerius griffen sich jeweils einen dieser Ringe und zogen sie mit all ihrer Kraft hoch, bis ein Teil des Bodens sanft über zwei mit Talg eingefettete Scharniere nach oben schwang und schließlich in die Vertikale glitt. Ausgehend von dem Talg schien ein irritierend fleischiger Geruch über der Vorrichtung zu schweben.
»Von hier oben führen einige Stufen nach unten. Natürlich können wir eine Fackel anzünden, aber du kannst dir den Weg auch ganz leicht ertasten. Vor allem ist dann das Risiko geringer, entdeckt zu werden. Und falls sich gerade jemand in dem Raum mit dem Brunnen aufhalten sollte, wird derjenige ohnehin eine Kerze oder Fackel entzündet haben. Ich warte hier oben und passe auf, dass dir keiner folgt. Falls du mich brauchst, dann ruf einfach. Theophilus wird zwar sicher überrascht sein, dich zu sehen, aber ich glaube nicht, dass ihm dein Erscheinen hier Unbehagen bereiten wird.«
Natürlich hatte Valerius mit seiner Einschätzung ganz richtig gelegen - nichts anderes hatte Breaca erwartet. Und genau deshalb hatte sie ihn ja auch gebeten, sie zu begleiten. Doch dies war nur einer von mehreren Gründen, weshalb sie ihn dabeihaben wollte. Ohne auch nur das Geringste erkennen zu können, tastete Breaca sich ihren Weg durch einen kurzen Tunnel aus festgestampfter Erde und von dort aus in einen Kellerraum hinein. Der Keller war aus sorgfältig miteinander verfugten Steinplatten gearbeitet, und der Boden war genauso flach und eben wie auch im Forum oder irgendeinem anderen der staatlichen Gebäude. Vorsichtig ging sie noch ein Stückchen weiter, bis sie jenen Bereich des Kellerraums erreichte, in dem die Wände zusätzlich mit einer Art Gips und weißem Kalk bestrichen waren. Plötzlich war vor ihr in der feuchten Finsternis das Flackern einer Flamme zu erkennen. Dann hallten die müden Schritte ihres alten Freundes über die Fliesen. In dem sicheren Glauben, dass niemand ihn hören könne, murmelte er leise vor sich hin und erlaubte seinen Gedärmen, sich von dem Druck ihrer Gase zu erleichtern.
Ganz bewusst hatte Breaca daraufhin leise mit dem Fuß gescharrt, damit Theophilus wusste, dass sie dort war. Sie meinte, ihm diese Vorwarnung in Hinblick auf seinen Stolz einfach schuldig zu sein. Zumal Theophilus geglaubt hatte, es handle sich bei ihr um Valerius, was aber, wenn man die Lage einmal ganz objektiv betrachtete, eine wirklich unlogische Schlussfolgerung war. Und ähnlich unlogisch war auch Breacas darauf folgende Reaktion, ihre Verärgerung darüber, dass er sie offenbar noch immer falsch einschätzte.
Ihre Antwort auf seine Frage fiel also ein wenig unwirscher aus als beabsichtigt, und sofort schämte sie sich dafür. Aber Theophilus erkannte sowohl den Grund für ihre Ungehaltenheit als auch ihr echtes Bedauern über ihr Verhalten. Breaca hatte fast schon vergessen, dass Theophilus diese gewisse, beinahe schon hellseherische Ader besaß. Er konnte ihre Gedanken nahezu mit der gleichen Leichtigkeit lesen, wie auch Airmid dies vermochte, und manchmal sogar noch besser, weil er Breaca einfach nicht so nahe stand und sein Blick noch nicht getrübt war von der Liebe.
»Breaca?«, fragte er schließlich, streckte die Hand aus und zog Breaca zu sich in den Lichtkegel seiner kleinen Lampe. Sanft legte er die Hand auf ihre Schulter und fuhr dann mit einem seiner langen, schlanken Finger einmal über ihren Rücken hinab, was keine gute Idee gewesen war. Abrupt zog sich ihr Fleisch unter seiner Berührung schmerzhaft zusammen.
Dennoch zwang sie sich, stillzuhalten, um nicht Theophilus’ Gefühle zu verletzen. Zumal er in seiner Untersuchung ohnehin bereits sehr geschickt und äußerst behutsam vorging. Und überhaupt dauerte seine Diagnose nicht lange. Schon bald zog er seine Hände wieder
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