Die Kriegerin der Kelten
diskutierten nicht, sondern errichteten emsig Barrikaden oder hoben Gruben aus, um damit die Pferde der Feinde zu Fall zu bringen. Und letztere Männer waren auch deutlich misstrauischer als ihre schwatzhaften Kameraden. Ohne zu zögern, setzten sie den Fremden die Spitzen ihrer Waffen auf die Brust und verlangten zu wissen, was diese in Camulodunum zu suchen hätten. Stets war Valerius es gewesen, der entweder in schlechtem Catuvellaunisch oder aber in gestelztem Latein geantwortet hatte und der behauptete, dass er aus dem nördlichen Teil des weitläufigen Stadtgebiets von Camulodunum stamme und seine Frau begleite, weil diese dringend die Hilfe eines Arztes brauche. Die Männer ließen Valerius und Breaca daraufhin passieren. Niemand fragte sie, was genau denn ihr medizinisches Anliegen wäre.
Und natürlich gab es auch einige Frauen, die sich im Schein der blassen Kerzen aufhielten, aber sie waren doch deutlich weniger an der Zahl als die Männer. Zumeist waren es junge, unterernährte Frauen mit rauchgrauen Ringen unter den Augen und dem typisch rotblonden Haar der Trinovanter. Und wenn die nicht gerade schwanger waren, gaben sie irgendeinem Säugling die Brust oder aber waren umgeben von einer Schar schweigender Kinder, die sich mit großen Augen und starr vor lauter Angst vor einer Gefahr, die sie nicht verstanden, an ihre Mütter drückten.
Keine dieser Frauen wagte es, sich den Eingeborenen in den Weg zu stellen, die sich in den braunen Stoff der Händler gekleidet hatten und an den Säumen ihrer Gewänder die Clansymbole der Catuvellauner trugen. Nur ein einziges Kind schaute sie offen und unverhohlen an, nahm dann die Finger aus dem Mund und fragte: »Wer sind die? Sind die gekommen, um uns zu helfen?«
Das Mädchen hatte lateinisch gesprochen, jedoch mit einem deutlichen Akzent in der Mundart der Stämme. Ihre Mutter hatte ihr mit einem an die Lippen gelegten Finger bedeutet, dass sie schweigen solle, und entgegnet: »Das sind Catuvellauner, Freunde Roms.« Ihr Tonfall hatte allerdings nicht verraten, ob sie diese Freundschaft für eine gute Sache hielt oder eher für etwas durch und durch Verabscheuungswürdiges.
Kurz nach dieser Begegnung verließen Breaca und Valerius die Durchgangsstraße und hielten sich fortan an die schmaleren Straßen, wo die Schatten noch ein wenig dunkler waren. Doch kaum dass sie in die Gassen eingebogen waren, wurden sie sofort von einem einsamen Veteran aufgehalten. Er hatte sein Schwert bereits gezogen, und seine Stimme klang heiser vor Angst. Dieses Mal hatte Breaca geantwortet, dass sie unter blutigem Durchfall leide und sie das Wasserlassen schmerze, sodass man sie nun in der Hoffnung auf eine baldige Behandlung ins Krankenhaus begleite. Sogleich trat der Veteran beiseite und schlug vor seiner Brust das Zeichen zur Abwehr alles Bösen.
Wobei Breaca die Idee mit dem Durchfall eher zufällig gekommen war. Der Gestank von ranzigem Kot hatte sie und Valerius schon eine ganze Weile begleitet und sich zunehmend mit dem vagen, doch ätzenden Geruch der Angst vermischt, der Camulodunum regelrecht die Seele zu rauben schien. Einst hatten diese Straßen nach Leben und den Folgen übermäßiger Genusssucht gerochen. Nun aber stanken sie hauptsächlich nach Rattenurin und vergammelndem Gemüse. Der widerliche Geruch schien sich hinten an den Gaumen zu kleben und überzog die Zunge mit einer Art zähem Schleim. Breaca legte die Hand über die Nase und schritt weiter. Nach diesem letzten Veteran versuchte niemand mehr, sich ihnen noch in den Weg zu stellen.
Dann ertönte plötzlich schrill der Schrei eines Mannes. Hastig tippte Valerius Breaca auf die Schulter, sodass sie erschrocken zusammenzuckte. »Nach links. Hier entlang.« Seine Stimme klang mit einem Mal ungewöhnlich hell, ganz so, als ob er sich nur schwer ein Lachen verkneifen könne. Breaca hatte ihn auch zuvor schon wenige Male so sprechen hören. Und das war jedes Mal in Longinus’ Gesellschaft gewesen. Was immer auch nun der Grund für Valerius’ unvermittelten Stimmungswandel zu sein schien, so amüsierte er sich jedenfalls gerade ganz köstlich. Vielleicht war es ja einfach der Nervenkitzel der Gefahr, der ihm so gute Laune bereitete.
Breaca folgte ihm in eine Gasse hinein, die noch schmaler war als die Straße, durch die sie gerade geschlichen waren. Die Häuser zu beiden Seiten dieser Gasse standen so dicht beieinander, dass es schwer war, zwischen ihnen hindurchzugehen, ohne sich die Schultern aufzuscheuern.
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