Die Kriegerin der Kelten
Kellergewölbe des Krankenhauses, um noch einen weiteren Eimer frisches Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen. Dort unten, in der Kühle und der Dunkelheit, fühlte er sich dem Kriege und den Schmerzen anderer Menschen so weit entrückt, wie er sich nur irgend vorstellen konnte. Nachsichtig fluchte er sowohl auf seine Patienten als auch auf die Kriegstreiber und stellte die Lampe dann auf einem kleinen Brett oberhalb des Brunnens ab. Hektisch tanzte sein eigener Schatten über die nur schlecht verputzten Wände und schließlich in genau jene Ecke, wo die erste Spinne, die Gaius’ Reinigungswut hatte entkommen können, bereits wieder ein Netz wob. Plötzlich schienen sich riesige Schatten zu dem winzigen Tier zu gesellen, und ein leises Rascheln und Schlurfen war zu hören, das unmöglich von einer Ratte oder einer Maus stammen konnte.
Ohne sich umzuwenden, sagte Theophilus: »Sei gegrüßt, Bán mac Eburovic, Geliebter Mithras’. Ich hatte dich schon wesentlich eher hier erwartet.«
Dann rieselte dem alten Arzt plötzlich ein unheimlicher Schauer über die Kopfhaut. Er malte sich aus, wie hinter ihm eine Waffe gezogen wurde, die Spitze geradewegs auf ihn gerichtet. Als sich schließlich nichts mehr hinter ihm zu regen schien und er auch keinerlei schneidenden Schmerz in seinem Rücken spürte, drehte er sich langsam um, während er darauf achtete, dass seine Hände für den Angreifer stets sichtbar blieben.
»Mein Bruder wartet draußen«, entgegnete Breaca von den Eceni. Sie stand genau auf der anderen Seite des Brunnens. »Aber er ist jetzt nicht mehr nur der Geliebte Mithras’, sondern auch der Sohn Nemains. Und in beider Namen wird er nun dafür sorgen, dass wir beide nicht gestört werden.«
Es war nicht ganz einfach gewesen für Bruder und Schwester in unauffälliger Kleidung und ohne jegliche Erkennungszeichen, die sie als Stadtbürger auswiesen, sich in der Abenddämmerung des neunten Tages der Belagerung von Camulodunum in die Stadt hineinzuschleichen. Andererseits aber war es auch nicht übermäßig schwierig gewesen.
Die Gräben und Wälle, die Cunobelins Festung schützten, als er noch die Macht über dieses Gebiet gehabt hatte, waren leicht überwunden, und ohnehin lagen sie noch ein ganzes Stück von der Stadt entfernt. Auch die Fallgruben und Barrikaden, die einst die Festung der Zwanzigsten Legion gesichert hatten, hatte man mittlerweile wieder aufgeschüttet beziehungsweise niedergerissen. Camulodunum, das ehemalige Legionarslager, war in den ersten Jahren noch eine echte militärische Festung gewesen, hatte sich dann aber rasch zu einer schlichten Veteranenkolonie entwickelt. Es gab also keinerlei Mauern mehr, sondern nur noch einen flachen Schuttwall, auf dem sich zwischenzeitlich bereits ein feiner Teppich aus Grashalmen angesät hatte. Er war das einzige Überbleibsel, das noch anzeigte, wo einst das Mauerwerk gestanden hatte. Selbst ein Kleinkind, das gerade erst laufen lernte, hätte dieses Hindernis überwinden und in die Stadt einmarschieren oder aber sie auf dem gleichen Wege auch wieder verlassen können. Der unbewohnte Außenring von Camulodunum war also menschenleer.
Die Straßen dagegen waren noch deutlich belebter, als Breaca erwartet hatte. Misstrauisch hatte sie das Treiben von einem Hügel etwas außerhalb der Stadt beobachtet. Es waren zwar nur wenige Feuer entzündet worden, und folglich hatten auch nur wenige Menschen sich noch vor die Haustür gewagt, aber dennoch waren Breaca und Valerius allein auf den ersten hundert Schritten bereits viermal aufgehalten und befragt worden, was sie in Camulodunum wollten. Jedes Mal waren es Gruppen von Männern gewesen, die sich zu Dutzenden unter den blassen Flammen von Talgkerzen und mit Schilfgras umwickelten Fackeln versammelt hatten und sich misstrauisch den Fremden in den Weg stellten.
Die meisten dieser Männer waren Römer: dunkelhaarige, dunkelhäutige und dunkeläugige Veteranen, die eher auf die sechzig zugingen, als dass sie noch zu den Fünfzigern hätten gezählt werden können, und mit einer deutlichen Speckschicht in der Bauchgegend, genau dort eben, wo einst Muskeln den körperlichen Trainingszustand der Männer gerühmt und sich schließlich, nach ihrem Ausscheiden aus der Legion, langsam in nichts aufgelöst hatten. Einige der Wachen waren in eine angeregte Unterhaltung vertieft und hielten nur dann einmal einen Augenblick inne, als sie die Neuankömmlinge in ihrer Stadt entdeckten. Die meisten der Veteranen aber
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