Die Kriegerin der Kelten
machte. Breaca stand auf und ließ sich unmittelbar vor Theophilus wieder auf dem Boden nieder. Sie berührte ihn zwar nicht, war ihm aber dennoch so nahe, dass sie die ruhige Hitze spüren konnte, die von seiner Haut ausstrahlte.
»Allein die Tatsache, dass du dir überhaupt Gedanken um meine Heilung gemacht hast und bereit bist, mir die dazu nötige Zeit zu gewähren, ist ein größeres Geschenk, als ich jemals von dir hätte erbitten mögen. Und es ist auch nicht dein Fehler oder meiner, dass ich dieses Geschenk leider dennoch nicht annehmen kann. Wir beide wissen, dass der gute Wille auf jeden Fall da war. Und vielleicht könnten wir eines Tages auf dein Angebot zurückkommen. In der Zwischenzeit aber würde ich mir von dir gerne ein anderes Geschenk wünschen, eines, das durchaus im Bereich des Möglichen liegen dürfte. Es kommt der Tag, an dem der Krieg ausbricht. Vielleicht nicht gleich morgen früh und vielleicht auch noch nicht in zehn Tagen, aber dennoch bald. Würdest du also bitte mit uns kommen, dorthin, wo du in Sicherheit wärst? Wir werden auch nichts von dir verlangen. Es ist nur so, dass wir dir doch quasi alles schulden und diese Schuld nun nicht mit deinem Tode quittieren wollen.«
»Auch das ist leider eine Bitte, die ich nicht erfüllen kann.« Theophilus schüttelte den Kopf. »Ich kann das Krankenhaus jetzt noch nicht verlassen. Hier liegen drei Patienten. Und bis morgen die Sonne abermals aufgeht, könnten es durchaus schon wieder mehr sein. Ich habe einst einen Eid abgelegt, mit dem ich geschworen habe, meine Patienten niemals im Stich zu lassen. Und diesen Eid werde ich nun ganz gewiss nicht brechen, bloß um mein eigenes Leben zu retten. Wenn diese Patienten das Krankenhaus nun alle urplötzlich verlassen sollten oder wenn zweifelsfrei feststände, dass ich ihnen, selbst wenn ich bliebe, ohnehin nicht mehr helfen könnte, dann, ja, dann würde ich meinen Schülern folgen und in euer Lager übersiedeln. Aber das wird wahrscheinlich nicht mehr vor eurem Angriff passieren. Und wir alle sollten uns nun noch einmal vergegenwärtigen, dass die Entscheidung, zu gehen oder zu bleiben, allein bei mir liegt. Und ich spreche euch hiermit frei von jeglicher Schuld an dem Schaden, den ich oder mein Krankenhaus durch diese meine Entscheidung womöglich noch erleiden werden.«
Abermals begannen über ihnen die Schreie zu hallen, nahmen eine immer schrillere und lautere Tonart an, ganz so, als ob der derart von seinen Qualen heimgesuchte Patient zwischendurch nicht eine Sekunde innezuhalten bräuchte, um einmal Luft zu holen.
Theophilus erhob sich. »Seht ihr? Wie soll ich einen Mann verlassen, der unter derartigen Schmerzen leidet? Besser, ihr brecht jetzt wieder auf. Und sollte es mir irgendwie möglich sein, werde ich mich euch früher oder später anschließen. Und falls nicht, werden ja vielleicht eure Götter über mein weiteres Schicksal und das des Krankenhauses wachen.«
Damit packte Theophilus sowohl Breaca als auch Valerius mit jenem Griff um den Ellenbogen, mit dem auch Krieger sich vor einer Schlacht ein letztes Mal begrüßten. Seine Gesichtshaut war schlaff von Alter und Erschöpfung, seine Augen blickten unendlich weise. »Was auch immer passieren mag, so habe ich doch ein erfülltes Leben gelebt, und euch kennen zu dürfen, hat es sogar noch zusätzlich bereichert. Und anders hätte ich es auch gar nicht gewollt. Nun geht und beginnt jenen Krieg, den ihr offenbar beginnen müsst, und achtet darauf, dass, wenn ihr siegen solltet, auch ihr beide einen Weg findet, wie ihr eure körperliche und seelische Integrität zurückerlangt. Sonst war alles umsonst.«
XVIII
Tief schien Mona, die Insel der Götter, im Ozean zu liegen. Graue Wogen brandeten gischtsprühend gegen ihre Ufer, und zäh wie flüssiges Eisen strömte das Wasser durch jene Meerenge, die die Insel vom Festland trennte.
Noch war die Sonne nicht aufgegangen, und es herrschte jenes typische farblose und zugleich blassrosa Licht, das immer dann zu beobachten war, wenn der Himmel die Nacht verabschiedete und den neuen Tag willkommen hieß.
Inmitten von blassen Sanddisteln und den langen, raureifweißen Halmen des Strandhafers lag Graine bäuchlings auf dem Boden und beobachtete jene Stelle, an der das Land ins Wasser überging. Die Ebbe hatte eingesetzt. Kleine Wellen schlängelten sich über den Kiesstrand, mussten aber stetig weiter zurückweichen. In regelmäßigen Abständen schätzte Graine die Entfernung ab zwischen
Weitere Kostenlose Bücher