Die Kriegerin der Kelten
habe gesehen, wie du gegen die Neunte Legion gekämpft hast. Und obwohl du bei Weitem noch nicht deine alte Form zurückerlangt hattest, wurden die Krieger, die in deiner unmittelbaren Nähe kämpften, allein durch deine Anwesenheit von ganz neuem Leben erfüllt. In deiner Gegenwart kämpfen sie wie eine eingeschworene Gemeinschaft. Ohne dich sind sie bloß wieder jene Grünschnäbel, die einfach bloß jeder ihre eigene kleine Schlacht durchfechten. Du siehst all das schon gar nicht mehr, weil es für dich die ganzen Jahre über so gewesen ist. Aber jene von uns, die dir dabei zuschauen, erkennen das alles noch ganz genau. Und darum fürchten wir den Moment, in dem du zusammenbrechen könntest, denn dann würde das gesamte Kriegsheer zerbrechen. Allein die Bodicea ist es, die das Kriegsheer zu dem macht, was es ist.
Darum brauchen wir dich, Breaca, genau deswegen. Aber wir brauchen dich sozusagen in einem Stück. Ansonsten zerbrechen auch wir. Vielleicht noch nicht sofort, aber schon bald könnten wir einen Punkt erreichen, an dem es mehr Schaden anrichtet, zwar immer noch deine körperliche Gegenwart zu spüren, aber gleichzeitig zu wissen, dass du seelisch schon lange nicht mehr unter uns weilst, als wenn du dich für eine gewisse Zeit einfach einmal ganz zurückziehen würdest.«
»Und warum hat mir all das keiner von euch schon mal ein bisschen eher gesagt?«
»Arroganz?« Obwohl Valerius, als er dies sagte, ganz und gar nicht arrogant dreinschaute. Er sah vielmehr aus wie ein Mann, der an die Grenzen seiner eigenen Kraft, seines eigenen Wesens gelangt war. »Wir dachten, dass wir dich irgendwie schon wieder heilen könnten. Und dann, als wir merkten, dass wir das nicht schaffen, glaubten wir, dass bestimmt der Kampf dich wieder genesen lassen würde. Und dann hofften wir, dass das Wissen, dass Graine in Sicherheit ist, dir wieder zu deiner alten Gesundheit zurückverhelfen würde. Selbst heute noch hatten wir den Glauben nicht aufgegeben, dass Airmid, in ihrer Eigenschaft als deine Freundin und Heilerin, dich vielleicht wieder hinbekommen würde. Aber wir haben uns alle geirrt.«
Zwischenzeitlich war Theophilus leise neben Breaca getreten und hatte nun eine Hand auf ihren Arm gelegt. Sie nahm ihn zwar wahr, doch mit einer solch seltsamen Distanziertheit, als ob ihr Körper in Wahrheit einer Fremden gehörte. Ihre Stimme klang hohl und leer. »Vielleicht war es ja nötig, dass mir das mal einer in aller Klarheit sagt. Also, wie wäre es, wenn auch ich eine aktive Rolle bei meiner Heilung übernehmen würde - könnte ich dann vielleicht etwas schneller genesen? Vielleicht an einem einzigen Tag? Oder in zwei Tagen? Zehn? So lange könnten wir vielleicht noch warten, ehe wir Camulodunum und alle, die sich innerhalb der Grenzen dieser Stadt aufhalten, niederbrennen.«
Fest drückte ihr Bruder mit dem Daumen gegen einen der Rubine, die in den Rand des Glases eingelassen waren. »Um wieder genesen zu können«, erklärte er, »musst du erst einmal verstehen, was dir fehlt und warum. Und ich persönlich wüsste nicht, wie man diesen Prozess der Erkenntnis beschleunigen könnte.« Vorsichtig setzte er den Weinkelch auf dem Brunnenrand ab. Dann sah er wieder auf. »Theophilus? Wissen die Ärzte von Athen und Kos darauf vielleicht eine Antwort?«
»Man könnte eine Nacht im Tempel des Asklepios verbringen, aber der liegt mehr als eine halbe Jahresreise von hier entfernt. Und ich würde sowieso bezweifeln, ob das bereits ausreicht. Aber darüber hinaus... Es tut mir leid. Ich kann dir keine Möglichkeit anbieten, deine Genesung mit der Geschwindigkeit voranzutreiben, die du dir erhoffst. Ich habe es also nicht einfach nur so dahingesagt, als ich dir anbot, dir sechs Monate meines Lebens zu widmen, um dich wieder zu heilen. Und ich denke, in der Zeit würde ich das auch tatsächlich schaffen. Aber schneller geht es nicht. Zumindest nicht meines Wissens nach.«
Abermals breitete sich Schweigen aus. Breaca, Theophilus und Valerius nahmen sich einen Augenblick, um nachzudenken, um im Geiste das Machbare vom Unmöglichen zu trennen und um daraus dann schließlich eine Möglichkeit abzuleiten, wie man weitermachen könnte.
Theophilus saß noch immer in genau der Haltung, wie er auch schon gesessen hatte, als Breaca ein Stückchen von ihm abgerückt war - die Knie angezogen und die Ellenbogen nachdenklich darauf gestützt, eine Haltung, die die Ehrfurcht gebietende Wirkung seiner weißen Robe wieder komplett zunichte
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