Die Kriegerin der Kelten
wissen, dass du mir sehr wichtig bist. Und dass ich dich in der Schlacht an meiner Seite brauche.«
»Das weiß ich.« Abermals zuckte ein greller Blitz über den Himmel, und abermals schenkte Ulla Cunomar ein herzliches Grinsen. »Aber jetzt musst du erst mal da hochklettern und das Banner hissen. Ansonsten bleiben wir hinter unserem Zeitplan zurück.«
Sie ließ sich mit den Schulterblättern gegen die Mauer sinken und verschränkte ihre Hände zu einer Art Steigbügel. Cunomar trat einen Schritt zurück und versuchte dann mit einem kräftigen Sprung auf die Mauer zu gelangen. Zwar fand sein Fußballen keinen rechten Halt und rutschte wieder ab, doch in diesem Augenblick war Cunomar auch schon die Mauer emporgeklettert und griff nach der Regenrinne und den dahinter angeordneten Ziegeln. Schließlich stand er mitten auf dem leicht abfallenden Dach der kleinen Villa, während die Regentropfen hart wie Hagelkörner von den Ziegeln abprallten und bis zu seinen Knien hinaufspritzten. Und obgleich sein Haar zwar tropfnass war und schwer, blies der Sturm dennoch so stark, dass ihm die Strähnen um den Kopf wirbelten.
Dunkel lag die Stadt unter dem Unwetter, und lediglich innerhalb jenes massiven Kreises von Barrikaden, der das Zentrum der Stadt umschloss, glimmten noch Lichtpünktchen; die meisten Familien hatten ein kleines Feuer im Ofen schwelen lassen, um in Wärme und Licht und zumindest der vagen Illusion von Sicherheit schlafen zu können.
Die Ziegel, auf denen Cunomar stand, waren mit glitschigem Moos überwachsen. Gurgelnd rann das Wasser an seinen Füßen entlang, während die Regenrinne schon längst übergequollen war. Cunomar reckte sich hoch empor und spürte dem Zerren des Windes und der donnernden Gewalt des Regens nach. Die Götter sandten ihm aus weiter Ferne ein leises Grollen, und dann brüllte er mitten in die langsam zurückweichende Nacht seinen Namen und den seiner Mutter und schließlich auch noch die ersten acht Namen der Bärengöttin.
Der Wind nahm seine Worte auf und zerriss ihre Silben, während der Regen glücklicherweise so weit nachgelassen hatte, dass Cunomar das Banner von seiner Taille zerren und es an jenen Stock knoten konnte, den Ulla ihm hinaufgereicht hatte. Und als das letzte grelle Flackern von Blitzen den Himmel taghell erleuchtete und feine Schwaden von Wasserdunst von den bronzenen Ziegeln des Dachs eines der Nachbarhäuser aufstiegen, da konnte Cunomar endlich von der beruhigenden Gewissheit ausgehen, dass seine Mutter und ihre Krieger ihn gewiss sehen könnten und auch das Banner mit dem roten Schlangenspeer auf blauem Grund erkannten, das er mit kraftvollen Bewegungen über seinem Kopf schwenkte. Und auch den weißen Abdruck in Form einer Bärentatze, der links unterhalb des Speeres prangte, würden sie erkennen können, jenes Zeichen, das den Kampfgeist der Bärengöttin symbolisierte, in deren kraftspendendem Licht Cunomar lebte.
Donnernde Hufe und wild bellende Hunde kündigten das Kriegsheer der Bodicea an. Nun gab es keinen Grund mehr, noch länger leise zu sein, falls es überhaupt jemals einen Anlass dafür gegeben hatte. Die Krieger stießen in ihre Hörner, trommelten mit den Schwertern auf ihre Schilde, und einige von ihnen hatten sogar daran gedacht, in irdenen Töpfen etwas Zunder mit sich zu bringen sowie brennende Fackeln, die mit Pech, Harz und Talg getränkt waren und mit Schafswolle umwickelt, sodass sie auch im stärksten Regenguss weiterbrannten. Die gewaltige Flut von Pferden, die sich auf Camulodunum zubewegte, glich also weniger einer ebenen, grauen Masse als vielmehr einem wogenden Meer, auf dem hier und da kleine Funken tanzten.
Die Reiter formierten sich zu einem Ring um die Stadt und rückten langsam durch die verlassenen Straßen vor. Die Pferde wühlten feuchten Schlamm zu glitschigen Bahnen auf, bis die Straßen sich unter den letzten leichten Regengüssen fast schon in kleine Ströme verwandelten. Dann erreichten die Krieger die innere Barrikade, die so hoch und breit war, dass sie gezwungen waren anzuhalten. Ganze Häuser waren abgerissen worden, um dieses Bollwerk zu errichten, und in das Fundament hatte man die Leichen zuvor gehängter Männer gelegt, damit diese die Kraft, die einst in ihren Knochen lebte, nun dem letzten Schutzwall von Camulodunum verliehen.
Mehr und mehr Legionare versammelten sich in der vermeintlichen Sicherheit des Barrikadenrings; Cunomar konnte sie von dem Villendach aus klar erkennen. Es waren Männer in
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