Die Kriegerin der Kelten
veralteten Rüstungen, die dort hektisch von Haus zu Haus eilten und sowohl in lateinischer als auch in trinovantischer Sprache aufgeregt durch die Fenster und Türen brüllten. Sie riefen die letzten, noch in der Stadt verbliebenen und treu zu Rom haltenden Stammesmitglieder sowie die atrebatischen Söldner zusammen und forderten diese zum Kampf um Camulodunum auf - zumal Letztere für diesen Dienst mit Gold bezahlt wurden.
Cunomar hielt das Banner der Bodicea so lange in die Höhe gereckt, bis die ersten Pferde an der inneren Barrikade angelangt waren. Seine Mutter ritt an ihm vorbei, ebenso wie Cygfa, die als die Kampfgefährtin der Bodicea natürlich zu deren Linker ritt. Auch auf Mona hatte Cygfa schon oft diese Stelle eingenommen, die Caradoc nie mehr würde einnehmen können.
Mit Augen, als hätte er gerade eben erst aufs Neue zu sehen gelernt, beobachtete Cunomar den Schatten, der an der Flamme der Bodicea zu zehren schien, jener Flamme, als die ihr Kampfeswille manch einem erschien. Doch er sah auch die stolze Haltung, mit der seine Mutter das Kinn nach vorn reckte, sah, wie ihr vom Regen dunkel getöntes Haar wie gehämmerte Bronze schimmerte, und er erkannte die leichte Gewichtsverlagerung, die durch ihren Körper lief, als sie ihr Schwert erhob. Doch ihm entging auch nicht diese vage Ungelenkigkeit, die trotz allem in Breacas kämpferischer Geste lag und die von den vielen, noch immer nicht richtig verheilten Wunden auf ihrem Rücken herrührte. Und schließlich - und dieser Anblick ließ sein Herz vor Liebe warm werden - sah er, wie Cygfa zeitgleich mit der Bodicea ihr eigenes Schwert zog und ihrer Heerführerin damit schützendes Geleit gab.
Irgendetwas sehr Kleines und sehr Süßes schien in Cunomars Seele zu dringen, fast wie das Lied einer Lerche, die zirpend im Moor eine kurze Rast einlegte. Da begriff er, dass er in genau diesem Moment durch puren Zufall etwas sehr Kostbares gefunden hatte, ein Gefühl, das nur die wenigsten mit ihm teilten. Hätte er schon eher geahnt, dass ein solches Gefühl überhaupt existierte, so hätte seine quälende Sehnsucht nach diesem Gefühl ihn mit Sicherheit bereits umgebracht.
Es war schön, endlich erwachsen zu sein und diese Dinge zu erkennen. Cunomar blickte sich um, suchte nach anderen ihm bekannten Gesichtern, suchte nach Menschen, von denen er wusste, dass sie sich irgendwo in der geradezu brodelnden Masse von Reitern verbergen mussten. Er brauchte nicht lange um sich zu schauen, um einige ihm wohlbekannte Zweiergrüppchen zu entdecken oder aber deren Fehlen zu registrieren. Und er erkannte auch bereits an der Art, wie diese Zweiergrüppchen ritten, wie sie später in der Schlacht kämpfen würden. Glücklicherweise waren Valerius und dessen thrakischer Kavallerist jedoch nirgends zu entdecken. Entweder befanden sie sich weiter hinten im Zug oder aber sie kamen vom Süden her in die Stadt geritten, um damit den Osten ganz allein Ardacos zu überlassen, der seine eigenen, handverlesenen Krieger gerne durch das östliche Tor in die Stadt hineinführen wollte, jenes Tor, das dem Tempel des Claudius am nächsten gelegen war. Denn natürlich war der Tempel einer der Orte in Camulodunum, die noch am ehesten zu verteidigen waren und die folglich auch am besten bewacht sein würden. Dort, am Tempel, waren die Barrikaden aus gegossenem Mörtel gefertigt, und die Straßen waren mit eisernen Dornen bestreut worden, um damit die Pferde der Krieger fernzuhalten.
Die Kämpfe begannen schließlich im Westen, wo Cunomar noch immer auf dem Hausdach stand. Die Krieger der Bodicea saßen ab, ließen ihre Pferde ein Stück entfernt im Schlamm warten und machten sich daran, die Schwachstellen der Barrikade auszukundschaften. In den Barrikaden selbst gab es zwar nur wenige Stellen, wo sie ansetzen und den Angriff hätten beginnen können, doch es waren einige schmale Tore für die Veteranen gelassen worden, die die Nacht über an den Gräben Wache gehalten hatten, und diese Durchlässe in den Barrikaden waren von innen her nur schlecht zu sichern.
Cunomar beobachtete eine Schar junger Krieger, die sich gegenüber einem dieser Durchlässe zu einem Keil formierten. Sein Platz auf dem Dach des Hauses bot ihm einen wirklich exzellenten Ausblick. Und er konnte auch genau erkennen, wie sich im Inneren der Barrikaden die atrebatischen Söldner und die römischen Veteranen versammelten. Die Atrebater trugen Jagdspeere bei sich, jene besonders langen Waffen mit breiter Klinge und
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