Die Kriegerin der Kelten
nahm Cunomar die Klinge entgegen, die sie ihm in die Hand drückte. Trotzdem hatte er noch immer keine Ahnung, wie er den Atrebatern entkommen sollte. Er spürte, wie Ulla sich dicht an seine Schulter drängte, und wusste in diesem Augenblick nicht, ob er dankbar dafür sein sollte, dass sie nun wohl gemeinsam in das Land hinter dem Leben und dort in das Herz der Bärengöttin einkehren würden, oder ob er es bedauern sollte, dass seine Schildgefährtin sterben musste und damit keines der unzähligen Wunder, die das Leben ihr noch hatte schenken wollen, mehr genießen könnte.
»Nach rechts rüber«, ertönte ein neuerlicher, scharfer Befehl aus Cygfas Mund. »Und mach Platz, damit auch die anderen nachrücken können. Wir müssen genauso viele sein wie die Römer.«
Gehorsam kam Cunomar ihrer Aufforderung nach, wenngleich er in alledem beim besten Willen keinen Sinn mehr erkennen konnte und die Bärengöttin sich gewiss bereits auf die Jagd nach ihm gemacht hatte. Er lauschte in sein Innerstes hinein, wartete auf den Sog aus den Tiefen des Waldes, der ihm verriet, dass die Bärin schon ganz nahe bei ihm war. Doch immerhin blieb er nicht stehen, sondern huschte wie mechanisch hinter Ulla und Cygfa her, die nach rechts ausgewichen waren, um Freiraum zu schaffen für die anderen Krieger. Immer mehr Schatten kamen durch die Lücke in der Barrikade geschlüpft und drängten sich Schulter an Schulter dicht aneinander.
Die hereinströmenden Krieger gehörten allerdings nicht zu der kleinen Untergruppe der Bärinnenkrieger; keiner von ihnen kämpfte nackt und bloß mit einem Messer bewaffnet, sondern sie waren in Leder und gestohlene Kettenhemden gekleidet, trugen Schilde und Langschwerter bei sich, und einige von ihnen hatten sich sogar entwendete Legionarshelme aufgesetzt
Manche dieser Krieger hatte Cunomar bereits im Westen gegen die Legionen kämpfen sehen. Und auch Braint war dabei, jene junge Frau, die einst Cygfas Liebhaberin gewesen war, ehe diese nach Rom verschleppt und dort gefangen gehalten worden war. Mittlerweile trug Braint den Titel der Ranghöchsten Kriegerin von Mona, und natürlich ging mit diesem Rang auch eine gewisse Verantwortung einher, sodass es für sie im Grunde keinerlei Anlass geschweige denn Verpflichtung dazu gab, nun hier in der Schlacht um Camulodunum zu erscheinen. Neben ihr reihten sich noch weitere Krieger auf, Männer und Frauen, die bereits in den Invasionskriegen gegen den ersten Zustrom an Legionaren gefochten hatten und schließlich den Kampf aufgaben, um mit der Bodicea und Caradoc nach Mona zu fliehen und dem dortigen Widerstand den Rücken zu stärken.
Alle diese Krieger waren also mindestens ebenso gut ausgebildet und kampferprobt wie die Veteranen. Wahrscheinlich waren sie sogar in noch besserer körperlicher Verfassung, denn im Gegensatz zu den ehemaligen Legionaren hatten die Krieger auch die Winter über stets hart an ihren Kampftechniken gefeilt. Außerdem hatten die Kämpfer Monas, als ihr Leben langsam seinen Zenit überschritten hatte, sich nicht einfach zurücklehnen können, um als Pensionäre ausgiebig und genüsslich dem Wein zuzusprechen, sondern sie hatten stets weiterkämpfen müssen und waren dadurch gegenüber den Römern jetzt klar im Vorteil.
Sämtliche dieser Krieger formierten sich nun zu einer Linie, wobei Cunomar deren Endpunkt bildete. Mit ernster Stimme erklärte Ulla ihm: »So wie Cygfa als die Schildgefährtin deiner Mutter kämpft, so möchte auch ich nun gerne als deine Schildgefährtin kämpfen. Würdest du mir bitte die Ehre erweisen, mich als deine Schildgefährtin zu akzeptieren?«
»Eigentlich sollte es doch genau umgekehrt sein«, widersprach Cunomar. »Du warst doch diejenige, die heute all ihren Mut unter Beweis gestellt hat. Ich dagegen war viel zu träge und bin nur deinem Beispiel gefolgt.«
Ulla grinste. Die weiße Kalkfarbe, die sie sich ins Gesicht geschmiert hatte, war fast vollkommen vom Regen abgewaschen. Allein in den Grübchen in ihren Wangen waren noch kleine Flecken davon zu sehen. »Aber du hast uns hierhergeführt«, erwiderte Ulla. »Und sollten wir nun sterben müssen, geschieht dies wenigstens in der bestmöglichen Gesellschaft, die man sich für seinen Tod nur wünschen kann. Denn fast die Hälfte aller Krieger von Mona ist nun hier.«
Cunomar konnte ihr kein weiteres Mal widersprechen, dazu blieb ihm einfach nicht mehr die Zeit. Die Veteranen hatten ihr Tempo unterdessen etwas verlangsamt, waren schließlich stehen
Weitere Kostenlose Bücher