Die Kriegerin der Kelten
krochen über das Uferland. Dort, wo die Schwaden auf das Meer trafen, schlichen sie sich seitlich in die kleinen Wellentäler hinein, bis sie von den klatschenden Wassermassen zu kaum mehr als faustgroßen Wölkchen zerschlagen wurden. An Land traf der Rauch auf Felsen und Wind und schlängelte sich bis etwa auf Augenhöhe empor. Dort blieb der Rauch wie ein hauchfeiner Stoffschleier einfach in der Luft schweben, ein Schleier, der nicht nur Menschen, sondern ganze Welten voneinander trennte. Allerdings zerriss dieser Schleier nur allzu rasch, und wer so unvorsichtig war, ihn zu zerstören, stürzte mitten in ein anderes Bewusstsein.
Von den eintausend Mann, die unter Corvus’ Führung das Festland verlassen hatten, waren mehr als die Hälfte ertrunken. Der Rest, der den Gezeitenwechsel in Manannans Meer überlebt hatte, war, kaum auf der Insel angekommen, durch den Schleier aus Rauch gestürzt. Zitternd saßen die Soldaten auf ihren Pferden und starrten wie blind in die dichten, wirbelnden Rauchschwaden hinein, die sich wie Augenbinden um ihre Köpfe zu schlingen schienen. Corvus hatte ihnen weder befohlen, sich zu ergeben und zurückzukehren, noch hatte er sie angewiesen, zum Angriff überzugehen. Und selbst wenn er seinen Männern irgendeinen dieser Befehle erteilt hätte, schien es nicht so, als ob die Legionare noch ausreichend Herr ihrer selbst gewesen wären, um dieser Anweisung zu folgen.
Dennoch hatten die fünfhundert verbliebenen Krieger Monas sich noch nicht auf ihre Widersacher gestürzt, sodass auch noch keiner der Römer gestorben war. In Graines Feuertraum hingegen waren sie zu Dutzenden umgekommen. Bellos der Blinde, der als Einziger von all jenen am Strand nicht unter dem Nebel zu leiden hatte, spürte, wie eine Spaltung sich zu vollziehen schien zwischen der Vision, die Graine gehabt hatte, und der Realität, und dies beunruhigte ihn zutiefst. Wie gerne hätte er jetzt Luain mac Calma gefragt, warum das Geschehen am Strand sich plötzlich so ganz anders entwickelte, als von Graine vorhergesehen - doch es gab Wichtigeres, Aufgaben, die Bellos zu erfüllen hatte. Und die erste dieser Aufgaben war, dass er jetzt erst einmal die ihm zugedachte Rolle spielen musste in jenem Traum von einer möglichen Zukunft Monas, den Graine in den Feuern im Inneren des Großen Versammlungshauses erkannt haben wollte.
Dreitausend Träumer standen Schulter an Schulter entlang des Ufergeländes aufgereiht. Aufrecht schritt Bellos vor ihnen entlang und war den Töpfen, die er und Graine zuvor gefüllt und die andere dann am Strand verteilt hatten, damit näher als irgendjemand sonst. Unvermindert stieg der Rauch aus den Kesseln auf und wirkte dort, wo er über die Feuerstellen glitt, beinahe undurchdringlich dick. Nach einer Weile, als Bellos endlich das Muster erkannt hatte, nach dem die Töpfe aufgereiht worden waren, hielt er jedes Mal, bevor er eines dieser irdenen Gefäße passierte, den Atem an. Erreichte er jedoch die saubere Luft zwischen den schwelenden Kesseln, so sog er diese bewusst tief in sich ein.
Er folgte genau dem Pfad, den er auch am Morgen schon gegangen war, bis er jene Stelle erreichte, wo Graine gelegen hatte. In der Morgendämmerung war ihm an diesem Ort noch nichts Besonderes aufgefallen, und auch jetzt schien hier alles wie immer. Und dennoch war dieser Platz in Graines Flammentraum erschienen, und es hatte eine Art Schlüssel an diesem Ort gelegen, ein Hinweis, der nur hier zu entdecken war und der ihnen nun verriet, wie sie Graines Vision eine reale Gestalt verleihen könnten. Tief atmete Bellos den feiner werdenden Rauch ein, legte sich auf den Bauch und versuchte, sich zu erden und zu wappnen gegen die Angstbilder jener Männer, die noch immer auf der anderen Seite der Meerenge verharrten. Leise schienen ihre Albträume Bellos entgegenzuwispern.
Und gerade jetzt, da eine gute Erdung von immenser Bedeutung war, fiel Bellos dies besonders schwer. Eine Vielzahl von Gedanken versammelte sich in seinem Kopf, jetzt, da dort doch eigentlich nichts als Leere herrschen sollte.
Thorn befand sich am anderen, südlichen Ende der Reihe von Träumern und war damit zumindest im Augenblick für Bellos nicht zu erreichen. Sie hatte ihn am Morgen zurückzuhalten versucht, hatte mit ihm reden wollen und sich vielleicht sogar noch mehr von ihm gewünscht. Bellos aber hatte darauf bestanden, Graine folgen zu müssen. Und nach seiner Rückkehr zum Großen Rundhaus war keine Zeit mehr gewesen, um noch mit
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