Die Kriegerin der Kelten
Höchstwahrscheinlich hatte er seit mindestens drei Tagen keine anständige Mahlzeit mehr bekommen, dennoch federte er elastisch auf den Fußballen, und als er sein Schwert hochriss und zum Schlag ausholte, geschah dies mit einer geradezu schlafwandlerischen Behändigkeit und einer solch tödlichen Treffsicherheit, wie Cunomar sie noch bei keinem je zuvor beobachtet hatte, außer vielleicht bei Valerius, doch damals war der Schwerthieb nicht gegen ihn, Cunomar, gerichtet gewesen.
Mit einem triumphierenden Grinsen stürzte der Mann sich nun auf ihn. Mit einem Mal war die Luft um ihn herum von dem Gestank sowohl alten als auch frischen Schweißes erfüllt. Cunomar sprach den neunten Namen der Bärengöttin und konzentrierte sich mit seinem ganzen Wesen auf seinen Feind. Frei von jeglicher Furcht riss er seinen Schild hoch, rammte diesen mit aller Gewalt auf die auf ihn zukommende Klinge und drehte ihn zugleich herum, um eine Lücke in dem Schildwall ihm gegenüber zu erzeugen. Sein eigenes Messer bewegte sich in einem Aufwärtsbogen, der eigentlich in den Eingeweiden seines Gegners hätte enden sollen...
Aber dazu kam es nicht mehr, denn plötzlich war Ulla mit ihrem Speer da und hatte mit der Spitze ihrer Waffe nach dem für einen flüchtigen Moment weiß aufleuchtenden Gesicht unter dem Helm gestochen. Ein gellender Schrei zerriss die Luft, doch es war unmöglich zu sagen, ob dieser Schrei nun aus Ullas Mund kam oder aus dem des Veteranen.
»Ulla!« Cunomars Gebrüll übertönte alles. »Raus mit dir! Finde Valerius!«
»Hat sich... erledigt.« Ulla war noch am Leben. Leichtfüßig sprang sie rückwärts und ließ ihren Speer stecken, wo er war. »... ist schon hier.«
Cunomar blieb keine Zeit, um aufzublicken oder sich umzuschauen. Der Kampf mit den Veteranen war so heftig und brutal, wie er noch keinen je zuvor gesehen oder sich auch nur vorgestellt hatte. Die vierundzwanzig Männer der Veteranenabteilung kämpften weiterhin mit einer Inbrunst und Verbissenheit um das Tor, als ob nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Ehre davon abhinge. Letztendlich gelang es ihnen zwar nicht, bis zum Tor vorzudringen, doch jeder der Männer riss mindestens einen Angehörigen des Kriegsheeres mit sich in den Tod.
Inmitten seiner Verwunderung über die schier unglaubliche Tatsache, dass er selbst bisher noch immer mit dem Leben davongekommen war, fiel Cunomar auf, dass sich inzwischen bei Weitem mehr Krieger im Garten tummelten, als ursprünglich mit ihm gekommen waren, und dass ein kleinerer Teil von ihnen sich das Haar entweder in einem Bogen über beiden Ohren abrasiert oder aber mit einer Mischung aus weißem Kalk und Lehmerde versteift hatte.
Als ganz plötzlich ein Schleuderstein an ihm vorbeisirrte und den Mann tötete, der sein, Cunomars, Leben am unmittelbarsten bedrohte, erfasste sein durch den Kampf und die Erschöpfung mittlerweile etwas verlangsamter Verstand endlich die zuvor noch verwirrenden Einzelwahrnehmungen und fügte sie zu einem stimmigen Ganzen zusammen. Als er sich Schritt für Schritt weiter vorwärtskämpfte, fort von dem Tor, und hörte, wie dieses unmittelbar darauf geöffnet wurde und er in der erstickenden Hitze mit einem Mal wieder frische Luft schmecken konnte, als er spürte, wie Körper an ihm vorbeiglitten und weiter hinein in den Garten, und als er dann einen flüchtigen Blick auf die schwarze Eichentür erhaschte und immer noch mehr Krieger durch diese Tür herausströmen sah, empfand er grenzenlose Erleichterung - und bittere Frustration. Eine Gefühlsmischung, die keineswegs neu für ihn war und weitaus weniger willkommen als die süße, uneingeschränkte Klarheit der Schlacht.
Das Tempo der Kämpfe ließ spürbar nach, und Cunomar erkannte, dass er nicht mehr länger gebraucht wurde. Frischere, ausgeruhtere Arme als die seinen übernahmen nun den Kampf gegen die letzten beiden Dutzend Römer, zwangen diese, gegen die Mauer zurückzuweichen, und machten sich dann an die mühsame und gefährliche Aufgabe des Tötens.
Cunomar lehnte gerade gegen den zweiten der beiden Marmorspringbrunnen, als plötzlich eine ruhige Stimme, die er kannte und zugleich auch verabscheute, in einer Lautstärke sagte, dass auch andere sie hören konnten: »Das hast du gut gemacht, Sohn der Bodicea. Es wäre uns allen verdammt schlecht ergangen, wenn sie aus dem Garten ausgebrochen wären und uns hinterrücks im Tempel überfallen hätten.«
»Valerius.« Langsam wandte Cunomar sich um. Er zitterte am ganzen
Weitere Kostenlose Bücher