Die Kriegerin der Kelten
Körper von den ungeheuren Strapazen und den Nachwehen des Gefechts. »Ist meine Mutter doch wieder auf das Schlachtfeld zurückgekehrt?«
»Wenn sie das getan hätte, wäre ich dann hier?« Auch Valerius war regelrecht grau im Gesicht vor Erschöpfung, seine Bewegungen langsam, ganz so, als ob seine Glieder bleischwer wären. Aus einer Schwertwunde an seinem Unterarm floss ungehindert das Blut, und an dem Ellenbogen des anderen Arms hatte er einen glänzenden Bluterguss von der Größe einer Faust, wobei das Fleisch zu beiden Seiten des Ergusses bereits anzuschwellen begann.
»Das bedeutet also, dass wir uns einmal ernsthaft miteinander unterhalten müssen«, erwiderte Cunomar. Sie hatten immer gewusst, dass es eines Tages zu diesem Gespräch kommen würde - oder vielleicht auch zu mehr als bloß einem Gespräch.
»Ganz offensichtlich.« Valerius lächelte schief. »Ich würde aber vorschlagen, dass wir zu diesem Zweck besser anderswohin gehen, wo es nicht so viele Zuhörer gibt. Was meinst du, wollen wir mal nachschauen, was die Veteranen so alles auf der anderen Seite ihrer schwarzen Eichentür versteckt haben?«
XXIX
Am Tage, wenn die Sonne von Westen her ihre Strahlen über das Land gleiten ließ, war Cunobelins Grab ein Ort voller Ruhe und Frieden.
Das Messer fest umschlossen stand Breaca im Inneren des Grabhügels und blickte starr auf dessen erdige Rückwand. Aufs Geratewohl hieb sie mit der Klinge einmal in das trockene Erdreich und dann noch einmal, diesmal ein Stückchen weiter rechts.
Geh weiter nach links. Die Öffnung wurde nach dem Stand der Sonne an meinem Todestag ausgerichtet.
Sie erkannte ihn an seiner Stimme. Zwar nicht direkt an deren Klang, denn der war trocken wie die tote Erde, doch immerhin an der gedehnten Betonung der Vokale, eine Mundart, in der nach Cunobelin auch dessen Sohn Caradoc gesprochen hatte. Und täglich hörte Breaca diesen Tonfall sogar bei Cygfa, die ihrem Vater von allen am meisten ähnelte und darum auch ihren Großvater klarer widerspiegelte als irgendjemand anderer.
Langsam wandte Breaca sich um. Wäre es nicht helllichter Tag gewesen, hätte sie Cunobelin nun womöglich übersehen. Denn er erschien ihr nicht so deutlich, wie ihr Vater ihr erschienen war. Und das helle Strahlen der gerade erst Verstorbenen besaß er schon gar nicht; das Licht all jener, die vor lauter Entsetzen über ihren eigenen Tod noch immer durch die brennende Stadt wogten.
Cunobelin. Der Sonnenhund. Kriegsherr zweier Stämme. Nun war er nicht mehr als ein flüchtiger Schleier in der Abendsonne, nicht greifbarer als ein Funke. Wie auch schon in der vorausgegangenen Nacht, so verlieh Breaca ihm nun im Geiste die Augen von Graine und das Haar von Cygfa, um ihm damit etwas menschlichere Züge zu geben. Noch klarer aber sah Breaca das Lächeln, das er ihr jetzt schenkte. Sein Lächeln war schon immer die wärmste all seiner Gesten gewesen.
Breaca legte das Messer auf dem Boden ab. »Ich dachte, die Westsonne könnte deiner Seele vielleicht ein bisschen mehr Wärme schenken als das kalte Licht der Morgendämmerung«, sagte sie. »Wenn du aber meinst, dass meine Anwesenheit den Frieden deiner Grabkammer stört, dann gehe ich wohl besser wieder.«
Warum bist du denn überhaupt gekommen? Wie alle Stimmen der schon lange Verstorbenen, so war auch Cunobelins Stimme wie das leise Rascheln, mit dem der Wind durch das trockene Winterlaub strich.
»Ich habe gesehen, wie das Sonnenlicht von den bronzenen Türen geglitten ist, und das hat mich wieder daran erinnert, was Luain mac Calma einst für dich geschaffen hatte, damals, als wir dich hierherbrachten.«
Nur, dass mac Calmas Werk viel ausgefeilter ist als das des Römers.
»Ja. Der Pionier, der den Tempel zu Ehren Claudius’ errichtet hat, wusste zwar, wie er die ganze Kraft der Mittagssonne zelebrierte, aber Luain mac Calma hat deinen Grabhügel so erschaffen, dass nicht nur die Morgendämmerung deine Seele lobpreist sondern auch die Abenddämmerung.«
Breaca hob ihr Messer wieder auf und stocherte mit der Spitze links an der Wand der Grabkammer entlang, bis sie schließlich jenes schmale Rechteck fand, das so lang war wie ihr Arm und halb so breit, jenen Spalt, in dem die Erde nicht ganz so stark festgestampft war. Dort begann sie, vorsichtig mit der stumpfen Seite ihrer Klinge ein wenig tiefer zu graben.
Kleine Erdklumpen rieselten ihr entgegen. Hastig klopfte sie sie von ihrer Tunika ab und erklärte: »Am dritten Tag deiner
Weitere Kostenlose Bücher