Die Kriegerin der Kelten
Brücke nannten. Und auch Cunomar hatte sich mit Begeisterung bereit erklärt, seinen Teil des Heeres nach Westen zu geleiten, um die zweite von Rom in Britannien gegründete Stadt, Verulamium, auszulöschen. Zudem besaßen beide frisch gekürten Heerführer bereits jeweils eine Reihe von Spähern, die sich auch untereinander kannten, sodass es keine große Schwierigkeit dargestellt hatte, sich über den Ablöserhythmus einig zu werden, in dem die Reiter zwischen Cunomars und Valerius’ Heeren pendeln sollten, damit ihre beiden Anführer stets miteinander in Kontakt blieben.
Schwer lehnte Valerius sich nun gegen seine Satteltaschen und betrachtete durch einen stetig dichter werdenden Schwarm von Mücken seine Schwester. Er sah ähnlich nachdenklich aus, wie auch Cunobelin einst dreingeschaut hatte, nur dass das Leben in Valerius’ Züge bereits eine gewisse Müdigkeit und Erschöpfung geprägt hatte.
»Du hast noch nicht gesagt, wo du sein wirst, während wir Rom auch die südlichen Städte und Häfen entreißen. Cunomar hofft, dass du ihn begleiten würdest. Gleichzeitig hat er Angst, dass du dich vielleicht dafür entscheiden könntest, lieber mit mir zu reisen. Darum hat er es vorhin auch nicht gewagt, dich ganz offen nach deinem Weg zu fragen. Der Rest wiederum glaubt, dass Cunomar zwar nicht mit seinen Hoffnungen, wohl aber mit seinen Befürchtungen genau richtig liege. Was meinen Feldzug angeht, so brauche ich deine Unterstützung nicht. Aber damit erzähle ich dir ja nichts Neues. Also, wo wirst du sein, während wir gen Süden marschieren?«
Breaca beobachtete eine einzelne Krähe, die gerade all ihren Mut zusammennahm, um sich vorsichtig einem der Toten zu nähern, die die Krieger noch nicht aus dem Vorhof des Tempels getragen hatten. »Airmid hat mich gebeten, dass ich für die nächsten neun Tage keine Waffe mehr in die Hand nehmen solle. Ich werde also in den Norden reisen und versuchen, dort Venutios von den Brigantern ausfindig zu machen, um zu sehen, ob er seine Krieger in unser Heer eingliedern möchte. Ihm unterstehen mindestens zweitausend kampferprobte Speerkämpfer, die Rom mindestens ebenso sehr hassen wie wir alle und die Venutios’ Aufruf zum Kampf sofort Folge leisten würden. Wir würden mit den Legionen sicherlich um einiges besser fertig werden, wenn wir diese Krieger bei uns hätten.«
»Und dennoch sollten wir den Legionen nicht in einer regulären Schlacht auf offenem Felde gegenübertreten«, wandte Valerius ein. »An dieser Grundregel hat sich trotz allem noch nichts geändert. Und ich denke, selbst Cunomar würde mir da mittlerweile zustimmen. Spätestens seit seiner Erfahrung mit den Veteranen im Tempelgarten. Denn diese eine Hundertschaft ist schon schwer genug zu schlagen gewesen... Stell dir bloß mal vor, wie es uns ergehen würde, wenn wir einer kompletten Legion von fünftausend Mann gegenüberständen.« Sanft strich die Abendsonne mit ihren Strahlen über sein Gesicht. Er rückte ein wenig zur Seite, zog sein Gürtelmesser hervor und begann, seine Fingernägel vom Schmutz der Schlacht zu reinigen.
»Dazu wird es nicht kommen. Oder, besser gesagt, dazu muss es nicht kommen. Über die Späher werden wir drei ununterbrochen miteinander in Kontakt bleiben. Und in nur fünf Tagen ist bereits Mittsommer. Das heißt, sowohl dein Heer als auch das von Cunomar hat jetzt jeweils fünf bis sechs Tage Zeit, in denen es erst einmal nur darum geht, die unmittelbar anstehenden Schlachten zu bewältigen. Im Anschluss daran könntet ihr euch an einem am besten westlich von Verulamium gelegenen Ort wieder zusammenschließen. Unterdessen führe ich Venutios’ Krieger Richtung Süden, sodass wir kurz vor Verulamium schließlich alle zusammentreffen. Und dann erzählst du uns, wie wir trotz einer feindlichen Kampfmacht von drei kompletten Legionen über die Römer siegen können.«
»Falls Venutios tatsächlich zustimmen sollte, uns seine Krieger zu entsenden«, gab Valerius zu bedenken. »Vielleicht entscheidet er sich ja auch dagegen.«
»Richtig, vielleicht entscheidet er sich ja auch dagegen«, stimmte Breaca ihm mit ruhiger Stimme zu. Die Krähe stieß sich mit einigen kräftigen Flügelschlägen von der Mauer ab und ließ sich dann in fast schon torkelndem Flug auf den Leichnam hinabsinken. Der Vogel Brigas rief nach seinen Gefährten, forderte sie auf, sich zu ihm zu gesellen. Schon kamen zwei weitere herbeigeflogen, und gemeinsam labten die drei sich an dem Toten.
Breaca
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