Die Kriegerin der Kelten
unruhig ein Pferd mit den Hufen. Schließlich fiel ein Schatten über den Pfad. Ohne sich umzuwenden sagte Valerius zu seiner Schwester: »Das hast du gut gemacht. Wenn du bei ihnen bist, sind sie ganz anders. Falls ich nicht zurückkehre...«
»Du hast doch gesagt, es bestände keinerlei Gefahr.« Aus Breacas schroffer Erwiderung war eine Spur von Furcht herauszuhören.
Valerius versuchte, das nervöse Flattern in seinem Bauch zu beschwichtigen. Breaca zuliebe, wenn auch für niemand anderen, konnte er Zuversicht vortäuschen. »Es muss schon ein gewisses Maß an Gefahr damit verbunden sein, sonst werden deine Krieger nicht glauben, dass ich für ihre Sache mein Leben aufs Spiel gesetzt habe. Aber ich habe nicht die Absicht zu sterben, das schwöre ich dir. Denn in dir, in diesem Krieg habe ich endlich einen Grund zum Leben gefunden, der alles andere, was ich bisher erlebt habe, wieder aufwiegen könnte. Wir müssen die Neunte Legion auf einer Marschroute in den Süden locken, auf der sie ungeschützt und somit für uns leichter angreifbar ist. Dazu wird es aber nicht so ohne Weiteres kommen, es sei denn, sie werden von jemandem in die Falle geführt, dem sie vertrauen.«
»Und wenn sie dir nun nicht trauen? Wenn sie dich erkennen und dich wegen Doppelverrats kreuzigen? Was dann?«
Die gleiche Frage, mit ebensolcher Eindringlichkeit vorgebracht, hatte Breaca bereits bei den gemeinsamen Beratungen der letzten Nacht gestellt. Und die Antwort darauf zu finden, fiel Valerius in diesem Moment noch immer genauso schwer wie in der vergangenen Nacht. Prüfend berührte er mit dem gekrümmten Daumen das Brandzeichen auf seinem Brustbein, das seine enge Verbundenheit mit dem Stiergott symbolisierte. Er verspürte dort jedoch weder ein Warnsignal, noch verriet ihm das Brandmal irgendwelche sonstigen Anzeichen für einen sich unbemerkt anschleichenden Tod.
Zwar ließen einen die Götter solche Dinge nicht grundsätzlich im Voraus erahnen, doch andererseits hatten die Eceni bereits so große Erwartungen in ihn gesetzt, dass ihm nun gar keine andere Wahl blieb, als mit Mut und Entschlossenheit vorzugehen, um die Ordnung der Dinge im Land der Eceni wieder zugunsten seines Volkes zu ändern.
Zu Breaca sagte er sehr sachlich und vernünftig: »Du hast dem Kriegsheer gerade ausführlich erklärt, wie viel Ehre dieses Unternehmen deiner Familie einbringt. Wenn ich jetzt plötzlich auf die Idee käme, mich davor drücken zu wollen, würden sie mich an einen Baum fesseln und mich wegen Feigheit vor dem Feind mit ihren Speeren durchbohren. Allein deswegen schon kann ich jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Und ich glaube auch wirklich, dass ich sicher bin. Der Legat der Neunten heißt Petillius Cerialis, und er ist erst seit weniger als einem Jahr in Britannien. Die Geschichte von dem Dekurio, der früher einmal in der Thrakischen Kavallerie diente, ist ihm also mit Sicherheit völlig unbekannt. Und die Soldaten, die er befehligt, sind seit der Invasion in der Festung nördlich von hier stationiert, um sowohl die Eceni als auch die nördlichen Stämme im Auge zu behalten. Die haben also ebenso wenig Ahnung von der Politik Camulodunums und des Westens wie Petillius Cerialis. Ich bin für sie bloß ein Niemand, nichts weiter als ein Kurier.«
Valerius berührte das Schreibpergament, das zum Trocknen auf seinem Knie lag. »Die Nachricht, die ich verfasst habe, besagt genau das, was sie besagen muss, um unseren Zwecken dienlich zu sein. Die besten Floskeln und Ausschmückungen habe ich aus dem Originalschreiben übernommen. Hör zu...«
Valerius strich das perfekte, makellose Stück Ziegenhaut glatt, welches das feinste und hochwertigste Pergament aus den Amtsräumen des Kaisers war, und las laut vor: » Von Titus Aquilla, Zenturio des ersten Manipels der Triarier der Zwanzigsten Legion und in Abwesenheit des Gouverneurs stellvertretender Kommandant der Kolonie Camulodunum, Stätte des dem vergötterten Claudius geweihten Tempels, Schauplatz unseres unangefochtenen Sieges über die eingeborenen Trinovanter - und so weiter und so fort. Ein Mann, der eine Beförderung erfahren hat, die seine Fähigkeiten entschieden übersteigt, und der sich dessen offensichtlich auch bewusst ist - an Quintus Petillius Cerialis Caesius Rufus, Legat der Neunten Legion. Seid mir gegrüßt!
Der Krieg ist ausgebrochen. Noch in diesem Augenblick, während ich diese Nachricht abfasse, brennt einer unserer Wachtürme lichterloh, und die Männer im Inneren
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