Die Kriegerin der Kelten
von seinem Wesen und seiner Art geerbt als Cunomar. Ihr Haar hatte die Farbe der hoch am Mittagshimmel stehenden Sonne, und ihre Augen waren von dem Grau frisch geschmiedeten Eisens. Nichts war in ihnen verborgen. Cygfa hatte nach wie vor starke Schmerzen und würde auch weiterhin darunter leiden, doch stärker noch war ihr Hass, sodass dieser ihr die Kraft verlieh, sich über den körperlichen Schmerz hinwegzusetzen.
»Ich habe dich damals auf dem Brückenkopf in Gallien kämpfen sehen«, fügte sie dann noch hinzu, als ob dies mehr als Antwort genug wäre.
Gallien: das Land, in dem ihr Vater im Exil lebte; das Land, aus dem Valerius damals geflohen war, indem er Caradocs Platz auf dem Schiff eingenommen hatte.
»Ich denke, es ist am besten, Gallien komplett zu vergessen«, gab Valerius zurück.
»Und genau deshalb wird es niemals in Vergessenheit geraten.« Cygfas Blick war nun nicht mehr so freundlich wie zuvor. »Du warst damals halb betrunken und bis ins Innerste von Selbsthass zerfressen. Die meiste Zeit hast du ein Pferd geritten, das du noch nie zuvor gesehen hattest, und obendrein hattest du auch noch ein Kind hinter dir im Sattel, das sich an deinen Rücken klammerte, und trotz alledem hast du gekämpft, als ob dein Schwert von der Macht der Götter beflügelt wäre. Genauso kämpft auch Breaca - das heißt, wenn sie die Kraft dazu in sich findet. Möglicherweise hat ja auch mein Vater einst so gekämpft, früher, bevor die Inquisitoren des Kaisers ihn zerbrachen. Aber ansonsten habe ich dieses Feuer, diese an Besessenheit grenzende Inbrunst noch bei keinem anderen Menschen erlebt. Es heißt, du bist ein Träumer, der Nemain ergeben ist, aber ich glaube, du bist in allererster Linie Krieger. Vor allem aber glaube ich, dass du als Heerführer geboren wurdest. Du hast lange Zeit mit den Legionen zusammengelebt und kennst sie wie kein anderer, und jetzt bist du hier und bringst all dieses Wissen mit zu uns, damit wir es gegen sie benutzen können.«
»Du vertraust mir also und verlässt dich darauf, dass ich euch nicht verraten werde«, stellte Valerius erstaunt fest.
»Mit dieser Einstellung stehst du aber ziemlich allein da, zumindest, was die Meinung der restlichen Angehörigen des Kriegsheers betrifft.«
»Ich habe gesehen, was du alles auf dich nimmst und wie weit du zu gehen bereit bist, um einen einmal geleisteten Schwur zu erfüllen. Auch das war ein Teil dessen, was damals in Gallien geschah.«
Cygfas brauner Junghengst stand bereit; Valerius hatte vor einiger Zeit damit begonnen, ihr beim Zureiten des Tieres zu helfen.
Mit einer geschickten Bewegung schwang sie sich auf den Rücken des Pferdes und zog es dann zu Valerius herum.
»Wenn wir dich nicht so dringend bräuchten, könnte ich dich womöglich hassen, aber so, wie die Lage ist, nimmt Rom bereits meinen ganzen Hass in Anspruch. Ich werde tun, was ich tun muss, und unterstützen, wen immer ich unterstützen muss, um mein Land von dieser Geißel zu befreien. Danach, wenn das vollbracht ist, kann ich dich vielleicht hassen. Falls ich dann noch lebe und überhaupt gewillt bin, Hass auf dich zu empfinden. Und falls du dann noch am Leben sein solltest, um diesen Hass zu empfangen.«
Deutlich sichtbar für alle, die sie beide beobachteten, entbot Cygfa Valerius den Kriegergruß, zog ihr Pferd wieder in die entgegengesetzte Richtung und ritt davon.
Valerius starrte danach noch eine ganze Weile gedankenverloren auf jene Stelle, an der Cygfa gestanden hatte, ehe er schließlich das Siegel an dem Kuriersack erbrach und die an den Legat der Neunten Legion gerichtete Nachricht aus Camulodunum las.
Kurz darauf, als niemand kam und ihn störte, suchte und fand er das Schreibpergament und die Tinte, die stets in einer Kuriertasche verwahrt wurden, kniete sich auf einen Flecken sauberen Grasbodens und begann zu schreiben.
Der römische Kurier lag am Rande des Pfads, nunmehr all seiner Kleider beraubt und so nackt, wie die Götter ihn erschaffen hatten. Cunomar und eine der jungen Bärinnenkriegerinnen banden ihm Steine um die Ellenbogen, die Knie und den Bauch, dann hoben sie ihn hoch und warfen ihn mit Schwung seitwärts. Der Sumpf nahm seinen Leichnam auf und sog ihn hinab in die Tiefe in sein stilles und kaltes Grab.
Valerius horchte in dem gedämpften Glucksen des tödlichen Morasts auf Beistand und brachte seinen beiden Göttern die erforderlichen Gebete dar, welche die Toten auf ihrer Heimreise begleiten sollten.
Hinter ihm scharrte
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