Die Kriegerin der Kelten
heraufgeritten, genauso, wie es irgendwo irgendjemand einmal prophezeit hatte, und blieb schließlich unmittelbar vor ihm stehen.
Seine Mutter. In diesem Moment hörte er auf zu denken und konnte die Erscheinung vor ihm nur noch wie gebannt anschauen.
Jede Nacht während seiner Kindheit und an den meisten Abenden während der Jahre, als er zum jungen Mann herangewachsen war, hatte Cunomar seine Mutter beim Schein eines Feuers gesehen. Besser noch als das Tageslicht vermochte der Tanz der lebendigen Flammen zu bewirken, dass sie sich ihm öffnete, sich ihm erschloss, so wie das Mondlicht dem Jäger eine Wildfährte erschließt. Von dem Moment seines Lebens an, in dem er seine Mutter zum ersten Mal bewusst wahrgenommen hatte, hatte er stets fasziniert dem Spiel des weichen Lichts auf ihrem Haar zugeschaut und es für etwas geradezu Lebendiges gehalten, für einen Fluss aus Kupfer, der sich in Kaskaden über den Fels ihrer Schultern ergoss - und dies allein ihm, Cunomar, zuliebe.
Später dann, als er schon etwas älter gewesen war, hatte er beobachtet, wie das Feuer der Kampfleidenschaft in ihr zum Leben erwachte, wenn sie sich auf eine Schlacht vorbereitete. Er hatte auch das gänzlich andere Feuer gesehen, wenn auch noch nicht so recht verstanden, das seine Mutter erfüllte, wenn sie kurz vor der Niederkunft stand. Und hatte noch später wiederum voller Kummer beobachtet, wie diese Flamme in ihrem Inneren mehr und mehr erstickt wurde während ihrer letzten Jahre auf Mona und ihrer darauf folgenden Zeit in den Ländern der Eceni, als seine Mutter um den Verlust des Landes getrauert hatte und sich wegen Caradoc mac Cunobelin, seinem Vater, grämte, der bis in alle Ewigkeit ins Exil verbannt worden war. Und immer war es bei Nacht gewesen, dass Cunomar am besten verstanden hatte, was seine Mutter bewegte.
Nun betrachtete er sie eingehend im Lichtschein von Braints Scheiterhaufen, und ihr Haar glich wieder einem Fluss aus Flammen, und aus ihren Augen leuchteten wieder das Feuer und die Leidenschaft, und sie war wieder all das, was sie früher einmal gewesen war, und dennoch war alles an ihr anders, sodass Cunomar keine Ahnung hatte, was sie bewegt hatte. Er wusste nur, dass er es mit jeder Faser seines Wesens bedauerte, dass er an dieser Verwandlung keinen Anteil hatte haben dürfen.
Er trat einen Schritt vor, ohne sich um die Hitze des Feuers zu kümmern, und streckte die Arme zu seiner Mutter empor. Hinter ihm schauten Tausende von versammelten Kriegern und Flüchtlingen dabei zu, wie der Bärensohn der Bodicea die Bodicea begrüßte, eingerahmt von dem lodernden Feuer der Ranghöchsten Kriegerin und der dahinter gähnenden Dunkelheit. Und ganz ähnlich den Flammen, so schienen auch die Beifallsstürme der Krieger und ihre vieltausendstimmigen Jubelrufe sich geradewegs in den Himmel zu erheben und die beiden Horizonte zu verschmelzen.
Es war unmöglich, nicht davon ergriffen zu sein. Aber auch unmöglich, sich über das Tosen hinweg Gehör zu verschaffen. Nach einer Weile, als die Krieger sich heiser gebrüllt hatten und die Wogen ihrer Begeisterung allmählich wieder verebbten, sodass Cunomar glaubte, er könne nun zu seiner Mutter sprechen, ohne von irgendjemand anderem gehört zu werden, sagte er: »Wir sollten nicht hier sein. Ich weiß das, es ist meine Schuld, und es tut mir aufrichtig leid, aber ich kann das, was geschehen ist, nicht mehr ungeschehen machen. Und deshalb brauchen wir dich jetzt, um die Katastrophe vielleicht doch noch in einen Sieg zu verwandeln.«
XXXIX
Was geschehen ist, kann ich nicht mehr ungeschehen machen. Wir brauchen dich jetzt, um die Katastrophe vielleicht doch noch in einen Sieg zu verwandeln.
Nein, wahrlich, niemand konnte an dem, was geschehen war, jetzt noch irgendetwas ändern. Zudem bezweifelte Breaca, ob sie diese Niederlage noch in einen Sieg verwandeln konnte. Und dennoch musste sie es schaffen, ansonsten wäre das Land verloren. Dies also war der finstere Einschlagfaden, verschlungen mit dem lichten Gewebe: ein Kriegsheer von rund fünfzigtausend Mann, das maximal achttausend Legionaren gegenüberstand, und trotzdem lagen sämtliche taktischen Vorteile bei den Feinden.... diese gewisse Extraportion Glück, die einem allein die Götter gewähren können, die gibt es tatsächlich ... und die ist in einer Schlacht ebenso unverzichtbar wie jede Menge Training und Kampferfahrung ...
Es war Valerius gewesen, der dies gesagt und daraufhin einen Schlachtplan entwickelt hatte,
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