Die Kriegerin der Kelten
wie um Cunomar das Feld und somit auch alles Weitere zu überlassen.
Cunomar brauchte nun mehr Mut, als er jemals zuvor für irgendetwas hatte aufbieten müssen - selbst der Moment, als er sich den Ältesten der Bärin und ihren Messern hatte stellen müssen, selbst jener lange zurückliegende Morgen in Rom und später dann noch einmal jener Morgen im Land der Eceni, als er auf seine eigene Kreuzigung gewartet hatte, hatten ihm nicht derart viel Mut abverlangt. Dennoch wandte er sich nun zu seiner Schwester um und sprach: »Braint ist tot. Es war meine Schuld. Wir wussten nicht, dass du hierherkommen würdest. Deshalb haben wir Braints Scheiterhaufen ohne dich angezündet. Es tut mir aufrichtig leid.«
Er sah Cygfa nur durch einen Schleier von Flammen. Ihr Gesicht war verschwommen, ihre Züge wirkten weicher, milder, sodass sie plötzlich wieder so aussah wie das halbwüchsige Mädchen, dass er nur noch vage von ihrer gemeinsamen Kindheit auf Mona her in Erinnerung hatte.
Schließlich fragte Cygfa: »Wie?« Dabei sah sie jedoch Valerius an, nicht ihren Bruder.
»Pfeile«, antwortete Cunomar. »Die römische Kavallerie hatte Bogenschützen eingesetzt. Zwei von ihnen griffen uns plötzlich an. Den einen Schützen tötete Braint mit einem Schleuderstein. Der andere erschoss daraufhin Braint. Sie wusste, dass das passieren würde. Sie hat ihr Leben dafür hingegeben, um den Besseren der beiden Schützen zu erledigen und uns wiederum somit eine Chance zu verschaffen, auch den Rest der Truppe zu töten.«
Nun endlich wandten sich die von Flammen verschleierten Augen Cunomar zu. Cygfa glich noch immer einem aus Feuer und Glut geborenen Geschöpf, dessen vom Widerschein des Scheiterhaufens umrahmte Silhouette sich gegen die zunehmend tiefer werdende Dunkelheit abzeichnete. Cunomar hatte das Gefühl, als ob das Eis in ihrer Seele geschmolzen sei, wusste aber nicht, was jetzt an dessen Stelle getreten war; er wusste nur, dass Cygfa nun, da sie weniger hart und kalt war, an Stärke gewonnen hatte. »Hast du sie denn dann auch tatsächlich erledigt?«, wollte sie wissen.
Er hätte alles daransetzen müssen, den Feind zu vernichten; immer noch besser, er wäre bei dem Versuch, die Angreifer zu töten, umgekommen, als überlebt zu haben und nun zugeben zu müssen, dass er kläglich versagt hatte. »Nein«, gestand Cunomar. »Das heißt, ich glaube, einen von ihnen habe ich getötet, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Und die Übrigen... sie waren zu Pferd. Sie waren drauf und dran, uns alle über den Haufen zu reiten, als sie ganz plötzlich zurückgerufen wurden. Daraufhin rannten sie in die eine Richtung und wir in die andere. Morgen werden sie auf jeden Fall schon auf uns warten.« Cunomar hatte das Gefühl, dass ihm das Blut in den Adern zu Eis erstarrte, als er dies sagte. Wie trockenes Stroh kamen die Worte aus seiner Kehle hervor.
Erstaunlicherweise jedoch lächelte Cygfa. »Dann werden wir sie so begrüßen, wie Braint es sich von uns wünschen würde. Wenigstens wird der Scheiterhaufen, den ihr für Braint errichtet habt, ihnen deutlich machen, wer sie war. Dafür danke ich euch.«
Sie ließ sich noch einen Moment Zeit, um die hoch in den dunklen Abendhimmel emporlodernden Flammen zu betrachten, und blickte dann Valerius und Cunomar gleichermaßen an. »Vielleicht hilft es euch ja«, sagte sie, »wenn ich euch versichere, dass ich sowohl einem von euch als auch euch beiden zusammen bereitwillig in die morgige Schlacht gefolgt wäre.«
Keiner von ihnen traute sich zu sprechen. Es war Huw, der neue Ranghöchste Krieger von Mona, der überrascht fragte: »... gefolgt wäre ...? Dann bist du also nicht allein gekommen?«
Wortlos trat Cygfa zurück. Andere schattenhafte Gestalten tauchten hinter ihr auf und schoben sich an die Stelle, wo gerade eben noch Cygfa gestanden hatte. Cunomar glaubte, nun endgültig die Grenze ins Reich der Wunschträume und Hirngespinste überschritten zu haben, denn auf einmal war Graine da, Graine, die auf ihrem kleinen, dicken, graubraunen Pferd saß und wieder so gesund aussah, wie man es sich nur irgend hatte vorstellen können. Und gleich darauf erschienen auch noch Ardacos und Hawk, Gunovar und Efnís sowie ein goldhaariger junger Träumer, den Cunomar nicht kannte, und an letzter Stelle - eigentlich hätte es nicht an letzter Stelle sein dürfen, aber Dubornos fehlte, und es war erstaunlich, welch große Lücke er hinterließ - kam seine, Cunomars, Mutter aus dem Sonnenuntergang
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