Die Kriegerin der Kelten
Völkern. Zum ersten Mal war es Cunomar möglich, Valerius für dessen täglichen Kampf, diese beiden Gegensätze in seinem Inneren miteinander in Einklang zu bringen, aufrichtig zu bewundern, statt ihn zu verachten. Es war möglich - und plötzlich auch überaus dringend notwendig -, zu begreifen, dass genau dieser Widerspruch der Schlüssel zum Sieg war in einer andernfalls von vornherein verlorenen Schlacht.
Förmlich, in der Ausdrucksweise des Großen Versammlungshauses, weil der Augenblick dies schließlich so erforderte, sagte Cunomar: »Es gibt da noch einen Punkt in unseren Plänen für morgen, den wir bisher noch nicht besprochen haben: Für den Fall, dass die Bodicea nun doch nicht aus dem Sonnenuntergang geritten kommt, werden wir einen Anführer brauchen, der das Kriegsheer in den Kampf führt. Hiermit ernenne ich nun dich zu genau diesem Anführer. Die Krieger der Bärin werden dem Bruder der Bodicea in die Schlacht folgen. Du brauchst nur den Befehl zu erteilen, und wir werden unser Leben dafür geben, um ihn auszuführen.«
»Nein.«
Cunomar war mit einem Mal, als hätte ihm eine unsichtbare Faust ein Loch in die Brust geschlagen. »Du willst uns nicht kämpfen lassen?«
»Ganz im Gegenteil. Ich werde tun, was immer ich kann, um euch dazu zu bewegen zu kämpfen - lediglich von Waffengewalt gegen euch werde ich natürlich absehen. Aber was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass die vereidigten Speerkämpfer des Bruders der Bodicea dem Sohn der Bodicea folgen werden, wo immer er sie auch hinführt, dass du uns also nur zu befehlen brauchst, und wir werden unter Einsatz unseres Lebens tun, was wir können.« Nun zeichnete das Feuer neue Linien in Valerius’ Gesicht. »Ich habe den Schlachtplan allein aus dem Grund entwickelt, weil ich sehr viel mehr Erfahrung mit den Legionen habe als die meisten anderen hier und daher ziemlich genau weiß, worauf es ankommt. Auf keinen Fall jedoch werde ich die Stämme in die Schlacht führen.«
Einen Moment lang herrschte Stille, nur unterbrochen vom Knistern und Knacken des brennenden Scheiterhaufens. Braints Haar fing Feuer und verbrannte unter einem jäh auflodernden, an die Federkrone eines Löwenzahns erinnernden Kranz von Flammen. Für einen kurzen Moment war die Luft von einem ekelerregenden Gestank erfüllt, dann roch sie wieder angenehm würzig nach Kiefernharz.
»Das verstehe ich nicht«, erwiderte Cunomar. »Warum denn nicht? Bist du etwa nicht gewillt, Rom anzugreifen?«
Mit einem Mal spielte wieder das scharfe, selbstironische Lächeln um Valerius’ Lippen. »Und ob ich das bin. Schließlich tue ich ja schon seit Jahren kaum etwas anderes, als Rom zu attackieren. Ich werde den rechten Flügel im Keil anführen, und es wird mir eine große Ehre sein, dies zu tun. Aber ich werde sicher nicht die Führung über ein komplettes Kriegsheer übernehmen, das sich im Namen der Bodicea versammelt hat. Dieser Platz steht von Rechts wegen nur dir zu, und ich glaube, dass du jetzt auch durchaus fähig und in der Lage bist, diese Aufgabe zu übernehmen. Mir würden die Krieger auf jeden Fall nicht folgen.«
»Doch, zumindest wir, die Krieger von Mona, würden dir folgen«, erklärte Huw ruhig. »Wir folgen dir überallhin. Und wo wir hingehen, dorthin wird auch der Rest der Krieger folgen.«
In Huws Worten schwang eine unumstößliche Überzeugung mit. Cunomar nickte. »Danke. Es wird den Kriegern der Bärin eine Ehre sein, den grauen Umhängen von Mona zu folgen, wohin auch immer sie uns vorangehen mögen.«
Unter Valerius’ Auge zuckte ein Muskel. »Dann werden sie alle deinem Banner folgen«, erklärte er. Er hatte plötzlich so einen Zug um den Mund, der aufs Haar genau Breacas Gesichtsausdruck glich, wenn sie gerade besonders stur und dickköpfig war. Cunomar hatte diesen speziellen Ausdruck noch an keinem anderen lebenden Menschen beobachtet, außer bei seiner Schwester Graine. Er hatte stets geglaubt, dass er selbst die gleiche ausgeprägte Unnachgiebigkeit besäße, dass er in puncto Hartnäckigkeit jeden anderen übertreffen könnte. Nun schien es ganz so, als ob Valerius ihm auch in dieser Hinsicht überlegen wäre.
Er wandte sich wieder dem Feuer zu. Die Flammen hatten inzwischen Braints Körper erreicht, züngelten an ihrem Leib empor und strömten dann daran entlang wie von der Sonne beschienenes Wasser, sodass der Glut die Illusion von angenehmer Kühle anhaftete. Während Cunomar dastand und zuschaute, verbrannte Braints Gesicht zuerst rot
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