Die Kriegerin der Kelten
ergehen lassen müssen, und dann, gegen Ende des letzten Winters, noch einmal, diesmal von den Veteranen des Prokurators. Falls sie also jemals einen Mann begehrt haben sollte, so konnte Valerius sich jedenfalls nicht vorstellen, dass dieser Augenblick nun ausgerechnet jetzt sein sollte. Es war nicht gut, schlecht von einem Mann zu denken, der gerade erst sein Leben den Göttern geopfert hatte, und dennoch verfluchte Valerius den toten Sänger im Stillen als Narren und Dummkopf und nahm seine Verwünschung danach auch nicht wieder zurück.
»Dubornos wandelte bereits mit den Göttern, als er das sagte«, entgegnete er. »Wahrscheinlich hat er also auf die gleiche Art gesprochen, wie sie es tun, ich meine, in Form von Traumbildern und vagen Botschaften. ›Eine Saat in sich keimen zu lassen‹ muss nicht immer bedeuten, dass man ein Kind gebärt. Das kann auch heißen, dass man bloß eine Idee hegt... so gesehen könnten also auch Männer eine ›Saat‹ in sich, in ihrem Kopf keimen lassen...«
»Nein. Ich kannte Dubornos ebenso gut wie jeder andere. Er sprach nicht in Traumbildern. Ich habe mit Gunovar darüber gesprochen. Sie war dabei, war gemeinsam mit ihm Teil der Zeremonie. Sie fühlte das Gleiche, was auch er fühlte. Sie sah das Gleiche, was auch er sah.«
Eine unbestimmte Furcht überkam Valerius, eine schreckliche Vorahnung. Wieder klammerte er sich an die Zeltschnur, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, welchen Schaden seine Hand dabei nahm. »Was?«
»Dass es bei diesem Krieg nicht nur um einen einzelnen Stamm oder ein einzelnes Volk geht. Worauf es jetzt ankommt, ist nicht, ob wir die morgige Schlacht gewinnen oder verlieren, ob du oder ich als Überlebende aus dieser Schlacht hervorgehen oder ob wir unser Leben dabei lassen müssen. Worauf es jetzt ganz allein ankommt, ist vielmehr, dass das Geschlecht, dem wir angehören, nicht mit uns ausstirbt, sondern über unseren Tod hinaus weiter bestehen bleibt. Dass Kinder geboren und aufgezogen werden, die die Kräfte der Götter in sich vereinen können und diese Macht, diese Fähigkeiten zum besonderen Wohle des Landes einsetzen. Breaca erfuhr damals in ihrer ersten Vision während ihrer langen Nächte der Einsamkeit, dass es die Kinder waren, auf denen die Zukunft der Stämme, des ganzen Landes basierte, dass sie das höchste Gut sind. Und das trifft auch heute noch zu. Ohne die Kinder - die richtigen Kinder - können wir morgen siegen und letztendlich trotzdem verlieren. Mit ihnen jedoch können wir morgen verlieren und trotzdem am Ende den Sieg davontragen.«
Valerius hatte sich auf dünnem Eis bewegt. Und plötzlich war dieses Eis eingebrochen, und er sank durch unendlich tiefes, schwarzes, eisig kaltes Wasser tiefer und immer tiefer. Ihm standen regelrecht die Haare zu Berge, und seine Zunge schien so dick angeschwollen, dass er keinen Ton mehr hervorbrachte. Er versuchte, sich an Corvus zu erinnern, und war doch nicht dazu in der Lage. Longinus befand sich in Rufweite. Dennoch konnte Valerius einfach nicht den Atem finden, um ihn zu Hilfe zu rufen.
»Nein«, entgegnete er schließlich mit ausdrucksloser, gepresst klingender Stimme und fand endlich die Kraft, einen Schritt zurückzuweichen. »Das willst du nicht wirklich. Und ich will es schon gar nicht. Wenn es denn unbedingt getan werden muss, dann sollen doch andere es tun, aber nicht wir.«
»Wer denn?« In diesem Moment schien Cygfa wie das exakte Ebenbild ihres Vaters, wenn dieser seine Verachtung als Waffe gegen einen Gegner einsetzte. »Meinst du, ich sollte dich vielleicht zu Graine schicken?«
»Lass das!«
Sie war ganz dicht an ihn herangetreten, und er hatte wohl versucht, sie wegzustoßen. Ihre Hände umschlossen seine Handgelenke, hielten sie fest. Ihr Gesicht war dem seinen so nahe, dass er ihren Atem und ihren Schweiß riechen konnte, und nichts davon hatte Ähnlichkeit mit dem, was er gerade am Ufer des Bachs hatte zurücklassen müssen.
Es war nicht das, was er wollte. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass er jemals das Verlangen danach verspüren würde, außer das eine Mal, damals, aber das war mit Nemain gewesen und deshalb etwas völlig anderes …
Er erinnerte sich an Flusswasser, an das Gefühl, wie es einer Liebkosung gleich über seine Haut strömte, und diese Erinnerung war heilig und unantastbar, etwas, was sich nicht einfach so wegschieben ließ.
Genauso wenig wie Cygfa. Sie war die Stärkere, und die Götter erfüllten ihre Augen mit dem
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