Die Kriegerin der Kelten
Feuer leidenschaftlicher Überzeugung. In diesem Moment glich sie ihrem Vater so sehr, dass es so schien, als ob sie Caradoc wäre, der sich in eine Frau verwandelt hatte oder der ganz einfach in anderer Gestalt wieder auf die Welt gekommen war. Valerius hatte Caradoc nie geliebt, er hatte ihn nur respektiert und um dessen Leben beneidet.
Cygfa war ihm einfach zu nahe, ihr Blick zu ernst, zu eindringlich. »Valerius, hör mir zu. Unsere beiden Familienlinien müssen auch in Zukunft fortbestehen. Graine ist zwar ebenfalls eine Nachfahrin des Sonnenhunds, aber sie ist noch zu jung. Und natürlich könnte auch Cunomar mit einer Frau ein Kind zeugen, aber er ist trotzdem nur ein Teil des Ganzen. Es gibt also niemanden, der dir gleichkommt. Du bist der Sohn des Vorsitzenden des Ältestenrats von Mona, einem der größten, möglicherweise sogar dem größten Träumer, den es je gegeben hat. Macha war ihm ebenbürtig. Wenn sie geblieben wäre, dann wäre höchstwahrscheinlich sie an seiner Stelle in dieses Amt gewählt worden. Und wäre dein Leben anders verlaufen, wäre es jetzt nicht Efnís, der zum Nachfolger deines Vaters ernannt wurde, sondern wahrscheinlich du.«
»Aber ich will überhaupt nicht Vorsitzender der Ältestenrats von Mona sein«, platzte es aus Valerius heraus. Eine vollkommen nutzlose Erwiderung, wie ihm gleich darauf klar wurde.
»Ich weiß. Und du willst auch kein Kind zeugen, und ich will keines empfangen und gebären. Trotzdem muss es geschehen. Es muss geschehen.«
Cygfa lehnte sich ein klein wenig zurück, sodass sie Valerius nicht mehr ganz so nahe war, ihn aber trotzdem noch immer festhielt. Ihr Blick hatte etwas Herausforderndes an sich. Mit genau dem gleichen Ausdruck in den Augen hatte sie Valerius schon einmal angesehen, damals, an jenem lange zurückliegenden Tag in Gallien, als sie am Ufer eines anderen Flusses gestanden hatten. Damals war er so anmaßend gewesen, so überheblich... und nicht nur er, sondern sie beide. »Frag deine Götter und finde heraus, ob sie das, was ich sage, akzeptieren. Wenn du dann ehrlich und aufrichtig sagen kannst, dass sie nicht damit einverstanden sind, dann lasse ich dich in Ruhe.«
Aber genau das war ja der Grund für seine Furcht und für die Verzweiflung, die ihn überkommen hatte: Er wusste nur zu gut, was seine Götter wollten. Wenn er diesen Wunsch der Götter nun laut ausspräche, würde Cygfa wohl nie mehr von ihm ablassen.
Sie spürte, wie Valerius’ innerer Widerstand mit einem Mal in sich zusammenbrach. Er sah ihre Fassungslosigkeit, die plötzliche Verwirrung und Bestürzung, die sich ihrer bemächtigten, ganz so, als ob sie sich insgeheim darauf verlassen hätte, dass er letztendlich doch als Sieger aus dieser Kontroverse hervorgehen würde, und als ob sie nun, da er überraschend nachgegeben und sich in das Unvermeidliche gefügt hatte, plötzlich nicht mehr wüsste, was sie tun sollte.
Dann nahm sie all ihren Mut zusammen - jetzt plötzlich sehr viel kleinlauter als noch vor wenigen Augenblicken -, und zwang sich, einem Weg zu folgen, den sie eigentlich niemals hatte einschlagen wollen. Sie standen in unmittelbarer Nähe des Zelteingangs, und noch immer hielt sie Valerius an den Armen fest. Sanft zog sie ihn nun auf den Zelteingang zu.
»Hier drinnen?«
Sie waren zu vertraut miteinander, hatten einfach schon zu viele Schlachten miteinander geschlagen, als dass der eine vor dem anderen hätte verbergen können, was in diesem Moment in ihm vorging. Nur zu deutlich konnte Valerius Cygfas Angst spüren und auch, wie viel Mut und Überwindung es sie kostete, um nun trotz allem an dem festzuhalten, was sie für zwingend notwendig hielt.
»Nein«, erwiderte Valerius. »Ich möchte nicht, dass dieses Kind auch nur ansatzweise in Berührung kommt mit dem Wesen Roms. Komm mit«, sagte er und führte Cygfa fort von den kunstvoll bestickten Zelthäuten, dem rot glühenden Kohleöfchen und dem zu starken Duft des Rosmarinöls - zurück zum Ufer des Bachs, zu einem Platz, der ein Stück weiter oberhalb seines Treffpunkts mit Corvus lag.
An dieser Stelle beschrieb der schmale Fluss einen Bogen in Richtung Osten und wand sich dann in einer Mäanderschlinge wieder in die entgegengesetzte Richtung. Der Scheitelpunkt dieser Kurve lag ziemlich genau in der Mitte zwischen den Lagerplätzen der beiden Armeen. Der Lichtschein, der von den Feuern beider Feldlager bis hierherdrang, war gerade hell genug, dass Cygfa und Valerius den Erdboden erkennen und
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