Die Kriegerin der Kelten
im Tode noch einmal wiedersehen dürften. Und er wiederum hatte mir versprochen, dass wir uns nicht erst im Tode, sondern bereits in diesem Leben noch einmal begegnen würden. Damals habe ich ihm nicht geglaubt.«
Noch einmal. Wie ein Messer schnitten diese Worte in ihrer beider Herz, und keiner von ihnen hegte auch nur den leisesten Zweifel daran, dass dies die Wahrheit war.
»Er ist mein Vater«, entgegnete Valerius. »Wusstest du das?«
»Ja, er hat es mir erzählt. Ich hatte das schon die ganze Zeit über vermutet, aber es erschien mir unhöflich, danach zu fragen, solange Eburovic noch am Leben war. Luain mac Calma war bereits ganz zu Anfang erschienen, damals, als ich das erste Mal Schiffbruch erlitten hatte. Wird er also auch hier und jetzt da sein, wenn das Ende über uns hereinbricht?«
»Ich weiß es nicht. Er ist der Ansicht, dass der entscheidende Stein in dem Spiel um Kampf oder Niederlage Graine wäre. Darum hat er sie auch zurück zu Breaca geschickt, damit sie bei dieser Schlacht dabei ist. Könnte also gut sein, dass Luain meint, allein Graines Gegenwart reiche bereits aus, um die Geschicke in die richtige Richtung zu lenken, und dass er selbst dann nicht auch noch hier erscheinen müsse.«
»Nun, um des Wohlergehens deines Volkes willen wäre es wohl in der Tat eine gute Entscheidung, wenn Luain so denken würde.«
»Ja.« Valerius’ Tränen waren versiegt, und für einen Moment gab es auch nichts mehr, was noch gesagt werden musste. Valerius saß ganz still da, lauschte Corvus’ Herzschlag, spürte dem Druck von dessen Wange nach und dem Gefühl von dessen Lippen auf seinem Scheitel. Dann richtete er sich wieder etwas auf, sodass ihrer beider Augenpaare nun auf einer Höhe waren und es nur noch einer winzigen Bewegung bedurft hätte, um den Kopf ein wenig zu Corvus hinüberzudrehen und endlich nach jenem Kuss und jenem Trost zu suchen, der ihm zehn ganze Jahre lang versagt geblieben war.
Ein Teil von ihm sehnte sich nach nichts anderem. Der bestimmende Teil seiner selbst jedoch, jener Teil, der der Führung der Götter folgte, verweigerte sich dieser Geste. Die Kluft, die zwischen diesen Facetten von Valerius’ Seele klaffte, erfüllte ihn mit einer schmerzlichen, nur allzu vertrauten Sehnsucht.
Mit leicht bebender Stimme ergriff Corvus abermals das Wort: »Ich denke, das reicht jetzt. Allein schon, dass wir uns überhaupt noch einmal treffen durften, dass wir miteinander reden konnten...«
»Zu wissen, dass es keinerlei Hass zwischen uns gibt.«
»Und auch nie gegeben hat?«
»Und auch nie gegeben hat.«
Die Nacht schien mit einem Mal kühler als noch vor wenigen Augenblicken. Das Leuchten von Braints Scheiterhaufen erinnerte an einen Sonnenuntergang, nur dass dieser in der falschen Himmelsrichtung, am falschen Horizont erglühte. Es war sehr schwer, sich wieder voneinander zu lösen. Noch schwerer war es für Valerius und Corvus, sich vorzustellen, nun wieder in entgegengesetzte Richtungen auseinandergehen zu müssen. Am schlimmsten aber war der Gedanke an die Schlacht und das Ende, das diese über sie alle bringen könnte. Langsam lösten Corvus und Valerius sich voneinander, zögerten diesen Augenblick jedoch weit hinaus.
Schließlich nahm Corvus die kleine Statue des Horus auf und trocknete sie mit dem Saum seines Umhangs. »Was wir noch nicht einmal erahnen können, das ist Luain mac Calma bereits klar ersichtlich«, sprach er. »Wenn also irgendjemand Sinn und Unsinn voneinander zu unterscheiden vermag, dann ist er es. Und er war es auch, der auf Mona darüber entschieden hatte, dass ich am Leben bleiben solle. Ich möchte also nur allzu gerne glauben, dass es einen Grund für diese Geste gab und dass dieser Grund nicht unser beider endgültige Vernichtung ist oder gar die Vernichtung unserer beiden Völker.«
Nun war der Trittstein wieder frei. Abermals überquerte Valerius den Bach, dieses Mal jedoch trockenen Fußes, und er stolperte auch nicht. Vom anderen Ufer aus, das zumindest noch bis zum nächsten Morgen Eceni-Land war, sprach er: »Was immer auch geschehen wird. Sei gewiss, dass mir alles, was ich gesagt und getan habe und das dich verletzt hat, unendlich leid tut.«
»Das wusste ich schon die ganze Zeit. Ich konnte dir nur nicht immer zeigen, dass ich das wusste.«
Wäre Valerius auf der römischen Seite des Bachs stehen geblieben, so hätte ihn die Freude über diese Worte nun regelrecht vergehen lassen. Jetzt aber, von der Seite der Eceni aus, entbot er Corvus
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