Die Kriegerin der Kelten
Fälle würdig erweisen müsse.
Rot glühten in der nahen Finsternis die letzten Flammen des Scheiterhaufens einer einstigen Kriegerkameradin. Breaca hatte sich dicht neben den Scheiterhaufen gesetzt und war nun die Einzige, die noch wach war, hier, inmitten von Tausenden, nein, Zehntausenden von Menschen. Bald würde der Morgen der entscheidenden Schlacht heraufziehen. Warm wie eine lebendige Schlange lag der Königsreif auf ihrer Haut, das Bedrohliche jedoch war aus ihm gewichen. Dennoch fühlte Breaca seine Gegenwart ebenso eindringlich, wie sie auch Valerius’ Traumhund spürte, ein Wesen, das irgendwo, ganz am äußersten Rande des Fassbaren, stumm lauerte und einem nichtsdestotrotz Trost und Wohlbehagen, ja sogar ein gewisses Maß an Schutz zu schenken vermochte.
»Der Hund ist Valerius’ Traum.« Volltönend erklang hinter Breaca eine Stimme. »Der Schlangenspeer dagegen gehört dir. Ein jeder von euch hat seinen ganz persönlichen Schutzgeist - behaltet ihn fest in euren Herzen.«
»Ich dachte, du würdest schlafen?«
»Habe ich auch.« Airmid setzte sich auf und rückte ein Stückchen um Breaca herum und schließlich neben sie.
»Aber sobald die Morgendämmerung anbricht, wird Efnís uns wieder verlassen, er wird zurückreisen zu Luain mac Calma, um ihm davon zu berichten, was wir planen. Und vorher muss ich unbedingt noch einmal mit ihm sprechen … Aber das muss nicht jetzt sofort sein. Dafür bleibt noch Zeit genug, ehe es hell wird.«
Zeit, die sie beide miteinander genießen könnten. Umfangen von der Dunkelheit lehnten sie sich aneinander, Schulter an Schulter, schenkten einander Wärme, spürten den Atem der jeweils anderen sanft über die eigene Haut streichen. Sie hatten noch nie jenen weit verbreiteten Ritus gepflegt, sich am Morgen vor einer Schlacht voneinander zu verabschieden. Allein das Gefühl der Zusammengehörigkeit war an diesen Tagen besonders stark, und die Zeit schien dann jedes Mal ein bisschen langsamer zu verstreichen, bis plötzlich alles schneller zu gehen schien als jemals zuvor.
Auch in diesem Augenblick, da sie beide vor Braints Scheiterhaufen saßen und bald die Morgendämmerung heraufzöge, verging die Zeit wieder langsamer, ganz so, als ob der Puls der Erde noch schliefe.
Schweigend saßen sie nebeneinander, Heilerin und Geheilte, und beobachteten das Feuer. Schließlich löste Breaca den Torques wieder von ihrem Hals und balancierte ihn auf ihren Knien. »Als du mir nach Tagos’ Tod diesen Reif hier gabst, hatte ich das Gefühl, dass das Stück regelrecht lebte. Als ob dieser Reif jene Schlange wäre, die sonst den Schlangenspeer umschlingt, und als ob diese Reifschlange von der Macht der Träumerin der Ahnen erfüllt wäre.«
»Und jetzt? Wie fühlt er sich jetzt an?« Schwer hatte Airmid den Kopf auf Breacas Schulter gelegt. Breaca konnte sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn dieses Gewicht irgendwann einmal nicht mehr auf ihrer Schulter lasten würde oder dass einmal eine Zeit heranbrechen könnte, in der sie nicht mehr beieinandersäßen, so wie noch in diesem Augenblick.
»Jetzt fühlt er sich irgendwie leer an. Nicht tot, sondern einfach nur leer, wie ein Gefäß, dessen Inhalt man ausgegossen hat und das nun darauf wartet, wieder gefüllt zu werden.«
»Und genau das ist der Reif auch - ein Gefäß«, stimmte Airmid ihr zu. »Alles, was ursprünglich in dem Reif lebte, lebt nun in dir. Kannst du es fühlen?«
»Ja.«
Breaca drehte den Königsreif zwischen ihren Händen. Die Kunstfertigkeit, mit der er gefertigt wurde, raubte ihr noch immer den Atem. Die Ahnen hatten noch viel mehr Zeit besessen, hatten noch gelernt, das Gold auf eine Weise zu formen, wie Schmiede, die unter der Aufsicht Roms arbeiten mussten, es niemals mehr vollbringen könnten. In seiner Einfachheit lag zugleich auch seine besondere Schönheit, ebenso wie in der unbeschmutzten Reinheit des roten Goldes der Silurer und dem Flechtwerk aus einzelnen Fäden und schließlich den offenen Ringen an den beiden Reifenden, durch die der Träger des Reifs seine Kriegerfedern ziehen durfte. Nun jedoch steckten keine Kriegerfedern in den Ösen des Torques und hatten ihn auch schon seit dem ersten Jahr der römischen Invasion nicht mehr geschmückt.
Airmid strich mit einem Finger über das Geschmeide, umfasste mit der Hand die beiden Reifenden und schloss damit die Lücke. »Falls du jetzt wieder der Tradition folgen willst, den Reif während der Schlacht um deinen Hals zu tragen, dann
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