Die Kriegerin der Kelten
Longinus gesagt, »ganz gleich, wie lange dies auch dauern mag. Bitte vergiss mich nicht, wenn du dort eines Tages auch all die anderen triffst, die auf dich warten werden.«
Valerius hatte Longinus fest an sich gedrückt und geküsst. »Ich werde dich schon nicht vergessen. In dem Land hinter dem Leben kennt die Liebe keine Grenzen mehr. Ich werde zu dir kommen, und dann haben wir Zeit, uns all das zu sagen, was nie gesagt worden ist.«
»Es wäre wunderschön, das endlich zu hören.« Anschließend hatten sie sich voneinander losgerissen, ein schmerzvoller Abschied, der aber, wie sich später zeigte, nicht einen einzigen Augenblick zu früh erfolgt war. Im Übrigen war auch Huw zurückgeblieben, um Longinus zu unterstützen, und auch Madb und all die anderen Reiter der Eceni und von der Insel Mona verharrten auf dem Schlachtfeld - und nicht einer dieser Männer und Frauen hatte sich angemessen von seinen Kameraden verabschieden können, dazu blieb einfach nicht die Zeit. Denn schon schmetterten die Trompeten, und die Zurückbleibenden sahen sich nun noch weitaus mehr Feinden gegenüber als bloß den Überbleibseln der Quinta Gallorum: Auch die letzten Kohorten der Zwanzigsten Legion kamen nun herangeprescht, brachen aus dem Hinterhalt hervor, wo sie den ganzen langen Tag nur darauf gewartet hatten, endlich auch ihren ganz persönlichen Moment des Triumphes erleben zu dürfen.
Das Gemetzel glich einem riesigen Schlachtfest, und die Flüchtlinge in ihren Wagenburgen glichen überschüssigem Vieh, das darauf wartete, erlegt zu werden. Zwischen den Flüchtlingen und hinter ihren Wagen wiederum befanden sich noch immer zahlreiche Krieger. Diese blieben entweder ganz bewusst, um zu kämpfen, bis sie schließlich niedergestochen wurden, oder aber sie rannten, allein noch von ihren Instinkten getrieben, blindlings davon; die meisten von ihnen starben aber sowieso, egal, für welche Möglichkeit sie sich auch entschieden hatten.
Noch durfte man hoffen, dass Ardacos’ Bärinnenkrieger und die berittenen Krieger unter Longinus’ Befehl besser ausgebildet waren und unter besseren Anführern kämpften als die große Mehrheit der Krieger, und dennoch waren sie gegenüber den Legionaren in der Minderheit, ein Umstand, der ihnen nicht gerade zum Vorteil gereichte.
Sie alle ergaben sich dem Tod, in der Hoffnung, dass dafür die Ehrengarde der Bodicea mit dem Leben davonkommen möge. Es war wichtig, dies niemals zu vergessen. Valerius fuhr mit der Hand über seinen schwarzen Umhang. Nass vom Schweiß und dem Blut fremder Männer zog er seine Hand wieder fort, genauso wie auch schon bei den unzähligen Malen, wenn er in den Nächten seinen stetig wiederkehrenden Albtraum durchleben musste. Sein Pferd sprang über einen umgestürzten Baumstamm hinweg. Jener Teil von ihm, in dem sich die Jahrzehnte des Trainings verinnerlicht hatten, wartete bereits darauf, nun aus dem Sattel zu stürzen, als das Pferd wieder auf dem Boden aufsetzte. Und doch geschah nichts dergleichen.
Airmid trieb ihr Pferd neben das Tier von Valerius. Überall auf ihrem Umhang klebte Breacas Blut, und schorfdicke Striemen überzogen ihr Gesicht. Sie sah furchterregender aus als selbst der wildeste Bärinnenkrieger.
Über das Donnern der stampfenden Hufe hinweg rief sie Valerius zu: »In dem Traum, den du als Kind hattest, war deine linke Hand abgetrennt. Noch aber ist sie nicht verloren. Es scheint also, dass du dich und damit auch deine Zukunft bereits so weit geläutert hast, dass die Götter dir deine Hand doch nicht rauben wollen. Dafür müssen wir wahrhaft dankbar sein.«
»Trotzdem würde ich lieber eine Hand verlieren als Breaca«, erwiderte er ebenso laut.
»Aber diese Wahl liegt leider nicht bei uns. An dem, was geschehen ist, können wir nichts mehr ändern. Wir können nur noch dafür sorgen, dass Graine in Sicherheit ist, und Cygfa, und das Kind, das sie zur Welt bringen wird. Kennst du hier irgendeinen Ort, an den wir flüchten können, auf dass Breaca ihr Ende wenigstens in Frieden erleben darf? Am besten wäre natürlich ein Platz, der den Göttern geweiht ist, das heißt, falls es überhaupt solch einen Ort gibt in jenen Bergen, in die wir nun fliehen.«
Damit überreichte Airmid, die Dienerin Nemains, Valerius, dem Diener Nemains und Mithras’, gleichsam den Schlüssel zu jener letzten, noch nicht erforschten Facette seiner Seele, die er zwar immer erahnt, doch noch niemals bei wachem Bewusstsein erfahren hatte. Hastig blickte er sich
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