Die Kriegerin der Kelten
Spitze von Valerius’ Schwert ab, und auch sein Kettenhemd sowie sein mit silberner Rüstung geschütztes Tier erstrahlten in irritierendem Glanz. Der Hengst schnaubte erregt, schüttelte den Kopf und spie dabei schaumigen, weißen Speichel sowohl auf Breaca als auch auf jenen römischen Zenturio, der weniger als drei Speerlängen entfernt das Ende der Reihe von Legionaren markierte.
Fest presste der junge Römer den Handballen in die Mitte seines Brustbeins, entbot damit Valerius jenen universellen Gruß, der zwischen allen Jüngern Mithras’ gebräuchlich war, und blickte grinsend zu seinem Anführer empor.
Breaca sah, wie eine flüchtige Woge des Bedauerns über das Gesicht ihres Bruders glitt. Er schloss kurz die Augen und presste den Mittelknochen seines Daumens gegen die gleiche Stelle auf seiner Brust. Seine Lippen bewegten sich in einem stillen Gebet, und Breaca spürte, wie die Anspannung, die sie wie ein reales Wesen umfing, immer stärker wurde und fast nicht mehr zu ertragen schien und mehr als nur ein Krieger im Stillen bereits den Entschluss fasste, Valerius bei der nächstbesten Gelegenheit einfach niederzumetzeln.
Ohne Vorwarnung und viel zu schnell, als dass man es mit bloßem Auge hätte beobachten können, ließ Valerius sein eben noch hoch in die Luft gerecktes Schwert mit sirrendem Klang herabsausen und trennte dem Zenturio die rechte Hand ab. Alles geschah so rasch, dass niemand Valerius mehr hätte aufhalten können.
Zwei Pferdelängen hinter Valerius brüllte Civilis den Schlachtruf seiner Ahnen, und der Hornbläser der Bataver ließ drei bellende Töne erschallen. Doch noch ehe der letzte Ton verhallt war, hatte auch schon das Kriegsgeschrei begonnen, und der mitunter nurmehr träge Tanz, zu dem die Götter ihre Krieger und die Römer hatten erlahmen lassen, verwandelte sich abermals in das pulsierende Hämmern der Schlacht.
Vier Zenturien von Legionaren, darauf gedrillt, jeglichen Angriffsbefehl ohne weiteres Nachdenken sofort auszuführen, begannen, sich auf ihre Widersacher zu stürzen. Angeführt von Civilis, der Reinkarnation des Helden Arminius, warfen die Bataver sich in das Kampfgetümmel, droschen auf jene Männer ein, die soeben noch ihre Kameraden gewesen waren, und sangen dabei den Lobgesang des Todes.
Ganz am Ende der Reihe machten die versammelten Eceni-Krieger sich unter der Führung von Breaca daran, auch ihren Teil zur Vernichtung des Feindes beizutragen, und stürmten gegen die erste Zenturie von Römern. Breaca kämpfte mit Cygfa an ihrer einen Seite und Dubornos an der anderen und gab ihr Bestes, um sich vom Rhythmus des Kampfes durchwogen zu lassen, auf dass dieser ihr wieder in Erinnerung rufen möge, was es bedeutete, zu töten, ohne zu denken, zu töten, ohne zu planen. Sie spürte genau, dass die Pforte ihr offen stand, wusste, dass die Energie des Kampfes sie wieder heilen und den gähnenden Abgrund in ihrer Seele versiegeln könnte. Sie wusste, dass allein die Schlacht dem eisigen Wind, der unentwegt mitten durch ihr Innerstes hindurchzustreichen schien, Einhalt gebieten konnte.
Valerius war stets in ihrer Nähe. Er beobachtete sie genau, so wie er sie auch schon bei ihrer Übung im Wald nicht einen einzigen Moment aus den Augen gelassen hatte, während Breaca sich im Gebrauch ihrer Waffe erprobt hatte. Und genau wie an jenem Abend verlieh das Wissen, dass ihr Bruder jede ihrer Bewegungen argwöhnisch verfolgte, Breaca einen ungeheuren Kampfeswillen und erfüllte sie mit einer Glut, die zwar noch nicht so ganz ihrem alten Kampffieber entsprach, aber immerhin schon mal besser war als nichts.
Gegen Ende der Schlacht spürte sie, wie Valerius’ Aufmerksamkeit sich einem anderen zuwandte, und sie sah, wie er sein Pferd den Pfad hinaufdrängte, um jenen anderen zu töten. Der Schwerthieb, mit dem er dem Mann das Leben nahm, war zwar weniger brutal als die Inbrunst, mit der er den Prokurator vernichtet hatte, aber nichtsdestotrotz war auch dieser Schlag sauber ausgeführt und frei von allem gedanklichen Ballast. Valerius handelte weniger als Individuum, sondern vielmehr als ein Teil jener gewaltigen Streitmacht, die mittlerweile selbst den letzten feindlichen Schildwall fast durchbrochen hatte.
Breaca hörte, wie ihr Bruder in tiefem, kehligem Batavisch Befehle brüllte, und sie sah, wie ihm Männer antworteten, die nie unter seinem Kommando gestanden hatten und doch seiner Führung folgten, weil allein er sie in den Sieg über den wahren Feind zu führen
Weitere Kostenlose Bücher